Warum der beliebte Speisefisch nicht überall gerne gesehen ist

Schon im Mittelalter war er ein begehrter Speisefisch, vor allem bei Nonnen und Mönchen. Heute ist der Karpfen aus unserer Unterwasserwelt nicht mehr wegzudenken, auch wenn die Zuchtform den Ur-Karpfen fast verdrängt hat. Für die Fischerei immer noch einer der wesentlichen „Brotfische“ und für viele Menschen Kulturgut, stehen einige dem Karpfen kritisch gegenüber. Der Karpfen ist unsere Art des Monats Januar.

Die Ur-Form des Karpfens ist fast verschwunden


Der Karpfen hat eine Erfolgsgeschichte hinter sich, wie vermutlich keine andere Fischart in Deutschland. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Karpfens beschränkt sich auf die großen Zubringer-Flüsse des Schwarzen- und Kaspischen Meeres, sowie der Adria. In Deutschland war der Fisch nur in einigen wenigen Zuflüssen der Donau einheimisch. Doch der Karpfen war einer der beliebtesten Speisefische der Nonnen und Mönche während der Fastenzeit im Mittelalter, in der der Verzehr von Fleisch, nicht aber von Fisch, untersagt war. Seitdem wurde der Karpfen bei uns kultiviert und domestiziert.

In unseren Gewässern lebt überwiegend eine stark domestizierte Form des Karpfens. Foto: Rotislav/Adobe Stock

​In unseren Gewässern lebt überwiegend eine Zuchtform des Karpfens.

Foto: Rotislav/Adobe Stock 


Der Karpfen gilt in Deutschland als Archäobiont, da er bereits vor 1492 angesiedelt wurde – die „Entdeckung“ Amerikas durch Christoph Kolumbus gilt Biolog:innen als Datumsgrenze zur Einordnung von Neozoen. Erst lange nach seiner Nutzung als Fastenspeise haben Fischer und Fischerinnen den Karpfen als ganzjährigen Speisefisch schätzen gelernt.


Heute ist der Karpfen in nahezu jedem Fluss, See und Weiher in Deutschland zu finden und gilt entsprechend der Roten Liste der Süßwasserfische Deutschlands als ungefährdet. Dennoch, was heute in unseren Gewässern lebt, ist eine stark domestizierte Form des Karpfens, teilweise mit sehr wenigen oder gänzlich ohne Schuppen und extrem schnellwüchsig, die mit der Ur-Form des Karpfens nur noch wenig gemein hat. Die Wildform des Karpfens (Cyprinus carpio) führt die Rote Liste als „selten“ auf.


Reproduktion in freier Natur nimmt zu


Der Status des Karpfens als einheimische Fischart kann für weite Teile Deutschlands, aber vor allem auch für viele Gewässertypen, also durchaus kritisch betrachtet werden, vor allem in Anbetracht der flächendeckenden Verbreitung in Deutschland. Sie geht nahezu ausschließlich auf Besatzmaßnahmen durch Berufsfischer und -fischerinnen sowie durch Angler und Anglerinnen zurück. Die meisten Karpfenbestände reproduzieren sich zwar relativ regelmäßig, allerdings war es bisher so, dass die Brut kaum über den ersten Winter gekommen ist. Das bedeutet, dass es fraglich ist, ob Karpfen in vielen Gewässern überhaupt selbsterhaltende Populationen ausbilden könnten (vielleicht schon, da Karpfen sehr alt werden), mit Sicherheit wären aber die Bestandsgrößen deutlich unter denen, die wir heute in den Gewässern sehen.

Domestizierte Karpfen sind in vielen Flüssen, Seen und Weihern in Deutschland zu finden, sie werden von Anglern und Anglerinnen oft mit energiereichen „Boilies“ gefüttert. Foto: Rotislav/Adobe Stock

Karpfen in der Zuchtform sind in vielen Flüssen, Seen und Weihern in Deutschland zu finden, sie werden von Anglern und Anglerinnen oft mit energiereichen „Boilies“ gefüttert. 

Foto: Rotislav/Adobe Stock    


Doch die klimatischen Bedingungen ändern sich gerade zugunsten des Karpfens. Im Zuge der immer längeren und wärmer werdenden Sommer und der immer milderen Winter, reproduziert sich der Karpfen immer häufiger in der Natur und die Brut hat ebenfalls erhöhte Überlebenschancen. Die möglichen Folgen sind dabei nur schwer abzuschätzen – nicht umsonst gilt der Karpfen außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebietes als eine der gefährlichsten invasiven Arten. Unsere Ökosysteme haben sich über viele Jahrhunderte zwar gut auf die Anwesenheit einiger Karpfen eingestellt – bzw. wir kennen den natürlichen Zustand einfach nicht – massenhafte Vermehrungen könnten jedoch ein größeres Problem für Gewässer und ihre anderen Bewohner werden. Aus Gebieten, in denen der Karpfen sein invasives Potenzial deutlich gezeigt hat, z.B. Australien oder die Iberische Halbinsel (Portugal und Spanien), weiß man, dass die Anwesenheit von Karpfen das Vorkommen von Amphibien, Vögeln und im Wasser lebenden Insekten deutlich negativ beeinflussen kann. Und auch für Deutschland sehen wir heute schon vor allem in den Klarwasserseen im Norden von Brandenburg, wie die Vermehrung großer Cypriniden, wie dem Karpfen, den Status und die Qualität dieser Gewässer beeinträchtigen können.


Ökosysteme stehen vor neuen Herausforderungen


Die Wildform des Karpfens ist in Deutschland nahezu verschwunden. Gleichzeitig gelten Karpfen, bzw. die Karpfenteichwirtschaft als Kulturgut und der Fisch ist heutzutage so weit verbreitet wie niemals zuvor. Der Klimawandel stellt Gewässer, Lebewesen und das Gewässermanagement vor ganz neue Herausforderungen. Eine davon könnte der Karpfen sein, der nach seinem menschlich unterstützen Siegeszug nun immer häufiger zu finden ist. Welche Auswirkungen das auf unsere Gewässer haben wird, ist nur schwer abzuschätzen und muss in Zukunft genauer untersucht werden.


Ein Beitrag von Dr. Martin Friedrichs-Manthey
Dr. Martin Friedrichs-Manthey ist Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, der Friedrich-Schiller Universität Jena (FSU) und dem Umweltforschungszentrum (UFZ). Er unterstützt als Community-Coordinator den Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur für Biodiversität (NFDI4Biodiversity). Sein Forschungsschwerpunkt liegt bei den Binnengewässern und Fischen und hier interessiert er sich vor allem für die Effekte des Klimawandels auf heimische Fischbestände. Friedrichs-Manthey ist Mitautor der neuen Roten Liste der Süßwasserfische und Neunaugen Deutschlands.

Rote Liste zum Artikel

Freyhof, J.; Bowler, D.; Broghammer, T.; Friedrichs-Manthey, M.; Heinze, S. & Wolter, C. (2023): Rote Liste und Gesamtartenliste der sich im Süßwasser reproduzierenden Fische und Neunaugen (Pisces et Cyclostomata) Deutschlands – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (6): 63 S.

Die Rote Liste ist als elektronische Publikation zum kostenfreien Download verfügbar.

Karpfen (Cyprinus carpio)

Rote-Liste-Kategorie: Ungefährdet