Im Gegensatz zu den meisten Heuschrecken kann die Alpen-Gebirgsschrecke keine „Musik“ machen. Statt durch Aneinanderreiben von Beinen und Flügeln zu „singen“, knirschen oder knacken die Männchen mit ihren Kiefern. Die Mandibel-Geräusche sind nur wenige Dezimeter weit hörbar. Aufmerksamkeit während der Partnerfindung erwecken die Männchen zusätzlich durch Zucken mit den Hinterbeinen, wobei die rot gefärbten Beinpartien die Signalwirkung verstärken. Auch bei Störungen macht das Männchen ruckartig wippende Bewegungen und zeigt dabei die roten Beinleisten.
Vor einem neutralen Hintergrund wirkt die Alpen-Gebirgsschrecke ausgesprochen bunt: Die quietschgrüne Grundfarbe kontrastiert mit glänzend schwarzen Flecken, dazu kommen die braunen Flügel, teilweise gelbliche Beine und leuchtend rote Streifen an den Hinterschenkeln. In der Vegetation sind die Tiere dennoch so gut wie unsichtbar – solange sie sich nicht bewegen.
Während die meisten Kurzfühlerschrecken eher Wärme und Trockenheit lieben, findet man die Alpen-Gebirgsschrecke schwerpunktmäßig auf kühleren und feuchteren, oft nordexponierten Standorten über 1.000 Meter Meereshöhe. Die größten Populationsdichten bestehen in zwergstrauchreichen Almweiden und Hochstaudenfluren in der Nähe von Bergbächen.
Die Alpen-Gebirgsschrecke ist eine rein europäisch verbreitete Art, die von den spanischen Pyrenäen bis in die Balkanländer verbreitet ist, aber überall nur in den Gebirgen lebt. In Deutschland kommt sie außer in den Alpen auch im Schwarzwald vor. Fachleute gehen davon aus, dass diese Trennung schon seit mehreren Tausend Jahren besteht und die Art damit ein echtes Eiszeitrelikt ist. Deutschland hat für die Erhaltung der hochgradig isolierten Vorkommen im Schwarzwald deshalb eine besondere Verantwortlichkeit.
Da die Tiere nur sehr kurze Flügel besitzen, können sie sich aus eigener Kraft nicht über größere Distanzen ausbreiten. Die Kurzflügeligkeit war schon dem Erstbeschreiber der Art, Vincenz Kollar, vor 190 Jahren aufgefallen: „Ich würde sie für unausgebildet gehalten haben, wenn ich nicht Männchen und Weibchen zu wiederholten Malen in Begattung getroffen hätte“. Kollar war Zoologe des Wiener Hof-Naturalien-Cabinetts. Er nannte die neu entdeckte Art „Alpen-Feldheimchen“ und gab ihr den wissenschaftlichen Namen Gryllus alpinus. Erst später erkannten Fachleute, dass die Zuordnung zu den Grillen unpassend war. Heute lautet der wissenschaftliche Name Miramella alpina und die Art ist in der Unterfamilie der Knarrschrecken eingeordnet.
Die deutschen Bestände der Art haben in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Die ohnehin seltene Alpen-Gebirgsschrecke wird deshalb seit 2011 in der Kategorie „Vorwarnliste“ geführt. Weitere Informationen zur Rote-Liste-Bewertung der Alpen-Gebirgsschrecke (Miramella alpina) – inklusive Bestandssituation, kurz- und langfristigem Bestandstrend – findet man im Steckbrief unserer Artensuchmaschine.
Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf.
Aktuelle Rote Liste
Poniatowski, D.; Detzel, P.; Drews, A.; Hochkirch, A.; Hundertmark, I.; Husemann, M.; Klatt, R.; Klugkist, H.; Köhler, G.; Kronshage, A.; Maas, S.; Moritz, R.; Pfeifer, M.A.; Stübing, S.; Voith, J.; Winkler, C.; Wranik, W.; Helbing, F. & Fartmann, T. (2024): Rote Liste und Gesamtartenliste der Heuschrecken und Fangschrecken (Orthoptera et Mantodea) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (7): 88 S.
Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind als Download verfügbar.