Von der verlorenen geglaubten Art wurden im Allgäu bisher vereinzelt Raupen gefunden, einen geschlüpften Falter hatte hier noch niemand gesehen. Der Schmetterling ist in der Roten Liste Deutschlands als „Ausgestorben oder verschollen“ verzeichnet.
Dem Insektenexperten Alfred Karle-Fendt gelang im Frühjahr 2021 der Fund eines ausgewachsenen Alpen-Wollafters (Eriogaster arbusculae) im Naturpark Nagelfluhkette in den Bayerischen Alpen. Nach vergeblicher Suche nach Raupengespinsten an Grün-Erlen 2007–2012 wies ein Zufallsfund im Jahr 2014 darauf hin, dass die Art in Deutschland vielleicht doch nicht ausgestorben ist, sondern noch in einer sehr kleinen Population vorkommt. Den ausgewachsenen Falter hat im deutschen Alpenraum bis zum aktuellen Nachweis nie jemand gesehen bzw. dokumentiert. Auch waren historische Zuchtversuche erfolglos. In deutschen Sammlungen wie der Sammlung Museum Witt und der Zoologischen Staatssammlung München sowie im Ferdinandeum Innsbruck existiert kein einziger deutscher Beleg für die Art.
Das Rote-Liste-Zentrum hatte den Experten in Vorbereitung der nächsten Roten Liste mit einer gezielten Suche nach dieser verloren geglaubten Schmetterlingsart beauftragt. Die derzeitige Rote Liste der Spinnerartigen Falter ist zehn Jahre alt und soll aktualisiert werden. Erneute Nachweise können dazu führen, dass eine Art nicht weiter als ausgestorben oder verschollen, sondern als extrem seltene, jedoch noch existente Art dokumentiert werden kann.
Der Alpen-Wollafter ist in den Alpen (Österreich, Schweiz, Italien, Deutschland) oberhalb von 1.600 Metern Höhe zu Hause sowie in Skandinavien. Er bevorzugt buschige Alpwiesen, Zwergstrauchmatten und feuchte Hänge.
Seine Falter schlüpfen nicht unbedingt jedes Jahr: Die Puppen des Alpen-Wollafters können mehrere Jahre überwintern, bis günstige Bedingungen herrschen. Als Raupennahrungspflanze ist in den Nordalpen anscheinend nicht die Grün-Erle, sondern die alpine Bäumchen-Weide (Salix waldsteiniana) besonders wichtig.
Der kleine Falter – seine Flügelspannweite beträgt nur 3-4 cm – ist wegen der frühen Flugzeit bei noch weitgehender Schneebedeckung in den wenigen wärmeren Nächten schwer zu beobachten, u.a. wegen Lawinengefahr: Die Männchen fliegen in der letzten Abenddämmerung. Namensgebend ist der dichte, mit grauem Haar bedeckte Afterbusch („Wollafter“) der Weibchen. Sie legen die Eier an Zweigen ab und bedecken sie mit Afterwolle.
Im Zuge der vorbereitenden Arbeiten der Roten Listen Deutschlands setzt das Rote-Liste-Zentrum neben der Erfassung von verfügbaren Daten und Monitoring-Ergebnissen auf gezielte Nachsuchen. Diese zielgerichteten Kartierungen beziehen sich immer auf Einzelarten, die entsprechend der aktuell gültigen Roten Liste als ausgestorben, verschollen, vom Aussterben bedroht, extrem selten oder stark gefährdet gelten. Dabei untersuchen Experten und Expertinnen der jeweiligen Artengruppen an bekannten Standorten historischer Verbreitung oder in anderen potentiell für die Art geeigneten Lebensräumen, ob die Zielart dort noch vorkommt oder nicht. Diese Strategie hat sich als sehr effektiv erwiesen und dazu geführt, dass der Gefährdungsgrad dieser Arten genauer eingeschätzt werden kann und die Aussagekraft der jeweiligen Roten Liste weiter verbessert wird.
Auch wenn Funde wie der des Alpen-Wollafters sehr gute und freudige Nachrichten sind: Oftmals ist das Ergebnis der Nachsuchen negativ. Auch das ist ein wichtiges Resultat, zeigt es doch, dass ein effektiver Habitatschutz unverzichtbar ist, um dem Aussterben von weiteren Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Deutschland entgegenzuwirken.
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