Mysteriöse Zeichen? Unerklärliche Dinge? Im Mittelalter hatte da oft der Teufel seine Hand im Spiel. Glaube und Aberglaube waren im Alltag so gegenwärtig und deutungsmächtig wie heutzutage Nachrichten und Social Media. In damaliger Zeit erhielt der „Teufelsabbiss“ seinen Namen. Früher wurde er als heilkräftige Pflanze hoch geschätzt, heutzutage gehen seine Bestände zurück. Als Bioindikator weist er auf naturnahe Standorte hin. Der Teufelsabbiss steht auf der Vorwarnliste.
Aktuell ist vom Gewöhnlichen Teufelsabbiss (Succisa pratensis) wieder häufiger die Rede – allerdings aus traurigem Anlass: Nach starken Bestandsrückgängen wird die Art in der bundesweiten Roten Liste in der Kategorie „Vorwarnliste“ geführt; in einigen Bundesländern ist sie sogar „Gefährdet“. Am wohlsten fühlt sich die Pflanze in Feuchtwiesen und Bergwiesen (lateinisch „pratensis“ = in Wiesen wachsend). Doch diese Lebensräume sind im Rückgang begriffen. Hauptursachen sind Nutzungsaufgabe oder -intensivierung, vor allem Düngung, Überbauung und der Klimawandel, der die allmähliche Austrocknung der Böden bewirken kann.
Teufelswurz, Satanswurz oder Teufelsbiss: In den meisten Regionalnamen für die auffällige Pflanze mit den halbkugeligen blauen Blütenständen ist der Teufel präsent. Dabei sehen die attraktiven Blütenköpfe, die sich aus 50 bis 80 winzigen Einzelblüten zusammensetzen, alles andere als diabolisch aus.
Um die teuflischen Spuren zu finden, muss man einen Blick auf die Wurzel werfen. Unsere Vorfahren taten das offenbar, denn sie fanden, dass der kurze Wurzelstock wie abgebissen (lateinisch „succisus“) aussieht. Mit heutigem Wissen ist das schnell erklärt: Die Wurzeln brauchen nicht sehr tief in den gut mit Wasser versorgten Untergrund einzudringen. Sie gehen alsbald in einen horizontalen Verlauf über und beginnen vom Ende her abzusterben. Die Menschen nahmen aber an, der Teufel habe die Wurzeln abgebissen. Man glaubte, dies sei Satans Versuch, die Pflanze zu schädigen und wertete es als Zeichen dafür, dass Teufelsabbiss ein besonders wirkungsvolles Heilmittel sein musste. Zubereitungen aus Wurzeln und Blättern wurden deshalb bei Geschwüren, Husten und Atemwegserkrankungen eingesetzt und sollten auch als blutreinigendes und schweißtreibendes Mittel, bei Bauchschmerzen, Steinleiden und Herzproblemen helfen. Sogar gegen die Pest wurde die Pflanze empfohlen!
Als Zeigerpflanze oder Bioindikator weist der Teufelsabbiss auf naturnahe Standorte hin. Für Insekten ist er eine wichtige Nahrungsquelle. Von Juli bis September besuchen vor allem Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Schwebfliegen die Blüten wegen ihres großen Nektarangebots. Manche Falterarten wie der Abbiss-Scheckenfalter (Euphydyras aurinia), auch Goldener Scheckenfalter genannt, legen sogar ihre Eier am Teufelsabbiss ab, die Raupen dieses Schmetterlings ernähren sich nämlich von den Blättern. Auch der sehr seltene „Riedteufel“ – besser bekannt ist dieser Falter unter dem Namen Blauäugiger Waldportier oder Blaukernauge (Minois dryas) – saugt gerne Nektar aus den Blüten.
Für medizinische Zwecke wird das Apotheken-Kraut, wie die Pflanze früher auch genannt wurde, nicht mehr in Massen ausgerissen und büschelweise getrocknet. Homöopathische Präparate, die heute bei Hautleiden zur Anwendung kommen, benötigen nur geringe Mengen der in der Wurzel enthaltenen Wirkstoffe. Die Schulmedizin macht jedoch einen Bogen um den Teufelsabbiss – eine der wichtigsten Heilpflanzen der Geschichte wird dort heute kaum erwähnt.
Ein Beitrag von Ulrich Sander
Der Autor ist Diplom-Biologe mit Schwerpunkt Ökologie und Umwelt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit im Natur- und Artenschutz ist er auch sonst gerne in der Natur unterwegs. Eine besondere Schwäche hat er für Frühblüher, Nadelbäume, Heuschrecken und Vögel. Im Übrigen ist er der Überzeugung, dass Laufen und Fahrradfahren dem Vogelflug näher kommen, als die motorgetriebenen Fortbewegungsmittel des Menschen.
Weitere Informationen und Rote-Liste-Angaben zum Teufelsabbiss – inklusive Bestandssituation, kurz- und langfristiger Bestandstrend – enthält der Steckbrief aus der Rote-Liste-Artensuchmaschine.
Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf. Die Roten Listen Deutschlands werden von Artexperten und Artexpertinnen weitestgehend ehrenamtlich erstellt. Das Rote-Liste-Zentrum ist vom Bundesamt für Naturschutz mit der Gesamtkoordination der Roten Listen und der fachlichen Begleitung betraut.
Rote Liste
Metzing, D.; Garve, E.; Matzke-Hajek, G.; Adler, J.; Bleeker, W.; Breunig, T.; Caspari, S.; Dunkel, F.G.; Fritsch, R.; Gottschlich, G.; Gregor, T.; Hand, R.; Hauck, M.; Korsch, H.; Meierott, L.; Meyer, N.; Renker, C.; Romahn, K.; Schulz, D.; Täuber, T.; Uhlemann, I.; Welk, E.; Weyer, K. van de; Wörz, A.; Zahlheimer, W.; Zehm, A. & Zimmermann, F. (2018): Rote Liste und Gesamtartenliste der Farn- und Blütenpflanzen (Trachaeophyta) Deutschlands. – In: Metzing, D.; Hofbauer, N.; Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 7: Pflanzen. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (7): 13-358.
Die Rote-Liste-Daten sind im Downloadbereich des Rote-Liste-Zentrums zu finden.
Literatur
Düll, R. & H. Kutzelnigg (1992): Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch. – Quelle und Meyer, Heidelberg, Wiesbaden. 546 S.
Pahlow, M. (1993): Das große Buch der Heilpflanzen. – Gräfe und Unzer, München. 525 S.
Uwe Raabe, Dietrich Büscher, Peter Fasel, Ekkehard Foerster, Richard Götte, Henning Haeupler, Armin Jagel, Klaus Kaplan, Peter Keil, Peter Kulbrock, Götz Heinrich Loos, Norbert Neikes, Wolfgang Schumacher, Hubert Sumser, Christoph Vanberg unter Mitarbeit von Corinne Buch, Renate Fuchs, Peter Gausmann, Ingmar Gorissen, Günter Gottschlich, Stefan Haecker, Wilhelm Itjeshorst, Dieter Korneck, Günter Matzke-Hajek, Martin Schmelzer, Heinrich E. Weber, Rotraud Wolff-Straub sowie dem Arbeitskreis Heimische Orchideen Nordrhein-Westfalen des BUND NW (Bearb.) (2011): Rote Liste und Artenverzeichnis der Farn- und Blütenpflanzen – Pteridophyta et Spermatophyta – in Nordrhein-Westfalen. – 4. Fassung, Stand Dezember 2010.
Zedler, J. H. (Hrsg., 1731-1754): Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. – 64 Bände und 4 Supplementbände, Halle und Leipzig. Digitalisiert und online zugänglich.