Dieser Alpenbewohner ist ein echtes Original: Unter seinen erdfarbenen Verwandten gilt der Smaragdwurm geradezu als bunter Hund. Wie andere Regenwürmer, produziert auch er wertvollen Humus – er lebt aber nicht im Mineralboden, sondern in der Streuschicht aus Laub und moderndem Totholz. In Deutschland kommt der Smaragdwurm nur in den bayerischen Alpen vor, er ist in die Rote-Liste-Kategorie „Extrem selten“ eingestuft.
Regenwürmer gelten als Schlüsseltiere des Bodenlebens und Indikatoren der Bodenfruchtbarkeit. In Deutschland kommen 47 Arten vor. Sie leben versteckt im Mineralboden, in der Laubstreu oder auch in verrottendem Holz. Als Schutz vor zahlreichen Fressfeinden sind die meisten von ihnen unauffällig rotbraun oder grau gefärbt, je nach bevorzugtem Lebensraum. Unsere Art des Monats besitzt dagegen eine auffällige Farbe, die ihr den Namen „Smaragdwurm“ (Aporrectodea smaragdina) eingebracht hat. Namensgeber war der italienische Zoologe Daniele Rosa (1857 – 1944). Ihm waren in Österreich gefundene Exemplare einer unbekannten Regenwurmart zugeschickt worden, die er im Jahr 1892 als neu für die Wissenschaft beschrieb.
Auch in Deutschland ist der Smaragdwurm einheimisch. Nachgewiesen ist sein Vorkommen in einem schmalen Streifen der bayerischen Alpen (Berchtesgadener Alpen, Chiemgauer Alpen, bayerische Voralpen), der an das Hauptverbreitungsgebiet der Art im alpisch-dinarischen Kalkgebirge angrenzt.
Obwohl auf der Roten Liste in die Kategorie „Extrem selten“ eingestuft, ist der Smaragdwurm in seinem Verbreitungsgebiet leicht zu finden. Der Grund dafür ist seine Vorliebe für stehendes und liegendes Totholz, das ihm, wenn es von Weißfäule vorzersetzt ist, als Nahrung dient. Im Boden ist dagegen die Streuauflage sein bevorzugter Lebensraum. Üblicherweise werden bei Regenwürmern die Lebensformtypen epigäisch (in der Streuauflage lebend), endogäisch (im Mineralboden lebend) und anecisch (in senkrechten Wohnröhren lebend) unterschieden. Gegenüber den nächsten Verwandten aus der Gattung Aporrectodea, die ein Leben im Mineralboden vorziehen, macht der Smaragdwurm mit seinem Treiben in der Humusauflage eine Ausnahme – er gehört zu den epigäischen Regenwürmern. Vielleicht ist die grüne Körperfarbe also eine Form der Tarnung vor Fressfeinden im Milieu bemooster Baumstümpfe und Streulagen.
Zwischen Regenwürmern und Bodeneigenschaften besteht ein enger Zusammenhang. Einerseits ist eine bestimmte Bodenqualität Voraussetzung für das Vorkommen der Regenwürmer, andererseits verändern diese durch ihre Aktivität die Qualität des Bodens. Die vertikal bohrenden Regenwürmer ziehen das Laub rund um den Eingang ihrer Wohnröhre zu einem kleinen Komposthaufen zusammen, den sie verspeisen, sobald die Blätter durch mikrobielle Vorzersetzung für den Wurm „schmackhaft“ geworden sind. Mit der Passage durch den Wurmdarm gelangt das organische Material in den Mineralboden, wo es von horizontal bohrenden, endogäischen Regenwürmern weiterverarbeitet wird. So entsteht der humusreiche Mineralbodenhorizont mit lockerem Krümelgefüge, der die Humusform Mull kennzeichnet und der auch unzähligen anderen Bodenorganismen Lebensraum bietet.
Wo im Mineralboden lebende Regenwürmer fehlen oder verschwunden sind, was bei zunehmender Bodenversauerung geschehen kann, wird die Streu auf der Bodenoberfläche nur langsam zersetzt und nicht in den Boden eingearbeitet. Es entstehen Auflage-Humusformen wie Moder oder Rohhumus, die andere Artengemeinschaften aufweisen. Der Smaragdwurm meidet sie. Er braucht Mull-Standorte mit viel Totholz. Bleiben diese Bedingungen erhalten, erscheint sein Überleben im Alpenraum gesichert.
Ein Beitrag von Ulfert Graefe
Der Autor ist Diplom-Biologe und Mitautor der Roten Liste und Gesamtartenliste der Regenwürmer (Lumbricidae et Criodrilidae) Deutschlands. Er ist Gründungsmitglied und langjähriger Geschäftsführer von IFAB Institut für Angewandte Bodenbiologie GmbH, Hamburg. Kontakt: www.ifab-hamburg.de.
Weitere Informationen zur Rote-Liste-Bewertung des Smaragdwurms – inklusive Bestandssituation, kurz- und langfristiger Bestandstrend sowie Verantwortlichkeit Deutschlands für die weltweite Erhaltung dieser Art – finden Sie im Steckbrief (Aporrectodea smaragdina) unserer Artensuchmaschine.
Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf,
Lehmitz, R.; Römbke, J.; Graefe, U.; Beylich, A. & Krück, S. (2016): Rote Liste und Gesamtartenliste der Regenwürmer (Lumbricidae et Criodrilidae) Deutschlands. – In: Gruttke, H.; Balzer, S.; Binot-Hafke, M.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G.; Matzke-Hajek, G. & Ries, M. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 4: Wirbellose Tiere (Teil 2). – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (4): 565-590.
Die Rote-Liste-Daten der Regenwürmer sind als Download verfügbar.