Wenn es im Juli Wetterlagen mit ausreichenden Regengüssen gibt, dauert es ca. zwei Wochen, bis die Sommersteinpilze in größeren Mengen erscheinen. Erfahrene Mykologinnen und Mykologen wissen dann, dass sie etwa zehn Tage danach mit dem Kaiserling rechnen können, in Süddeutschland zwischen Ende Juli und September. Dass die Art bei uns „besonders geschützt“ ist, hat nicht nur mit ihrer Seltenheit, sondern auch mit ihrem hohen Wert als Speisepilz zu tun. Der Gesetzgeber wollte den gefährdeten Pilz vor der Übersammlung bewahren.
Der bei uns sehr seltene Kaiserling (Amanita caesarea) ist mit dem in Deutschland weit verbreiteten und viel häufigeren Fliegenpilz (Amanita muscaria) eng verwandt. Die weiße Hülle, die die jungen Fruchtkörper umgibt, ist aber wesentlich dicker und bleibt nach dem Zerreißen nicht in Form von Pünktchen auf dem orangeroten Hut kleben. Darüber hinaus hat der Kaiserling gelbe Lamellen, einen gelben Stiel und gelbliches Stielfleisch. Er enthält auch kein Muscarin oder andere Giftstoffe. Obwohl er durch die genannten Merkmale eindeutig und leicht bestimmbar ist, schaffen es immer wieder Sensationsmeldungen von angeblichen Kaiserlingen in die Medien, die in Wirklichkeit Fliegenpilze mit abgewaschenen Hüllresten sind.
Der hohe kulinarische Wert der Art ist seit langem bekannt. Schon in einem Kochbuch aus einer kurfürstlichen Küche von 1581 preist der Autor die „Keiserling, welche Schwaemm man gemeiniglich für die aller besten helt“. Der Gelehrte Carolus Clusius schrieb 1601, sie hießen bei den Deutschen so, weil sie unter allen Pilzen die höchste Würde verdienten. Andere – nicht beweisbare – Deutungen bringen den Namen mit dem römischen Kaiser Claudius in Verbindung, der angeblich von seiner vierten Ehefrau Agrippina mit Hilfe eines vergifteten Pilzgerichts umgebracht worden sein soll. Ebenso lässt sich nur darüber spekulieren, ob die Römer den Kaiserling mit ihren Legionen aus dem wärmeren Süden nach Deutschland eingeschleppt haben. Unter den weniger als drei Dutzend kartierten Fundstellen in Deutschland lässt sich jedenfalls keine Häufung an ehemaligen römischen Siedlungen nachweisen.
Das Hauptareal des Kaiserlings liegt in submediterranen und mediterranen Regionen Europas, ebenso in warmen Zonen Nord- und Mittelamerikas. Von Spanien bis zum Schwarzen Meer ist er in küstennahen Macchien mit Eichen und Kiefern regional sehr häufig und ein geschätzter Marktpilz. Auch mit Edelkastanien bildet er Symbiosen (Ektomykorrhiza) und folgt seinen Wirtsbäumen bis an deren klimatische Höhengrenzen auf ca. 1.000 m NN. Bevorzugt werden lichte Wälder, Waldränder und Parkanlagen, südlich der Alpen oft auf sauren Böden. Süddeutschland und wenige weitere Regionen nördlich der Alpen sind als Arealgrenze anzusehen.
In der letzten Roten Liste der Großpilze Deutschlands wurde der Kaiserling in die Kategorie „G“ (Gefährdung unbekannten Ausmaßes) eingestuft, da er sehr selten ist und weil seine Rückgänge in der Vergangenheit nicht genau quantifiziert werden konnten.
Beobachtungen in südlichen Ländern zeigen, dass der Kaiserling dort sehr anpassungsfähig ist und eine breite ökologische Amplitude besitzt. In guten Jahren tritt er genau wie Steinpilze in großen Mengen auf und wird dann auf Märkten und in Restaurants angeboten. Allerdings besiedelt er wie viele Ektomykorrhiza bildende Pilzarten nur Habitate mit halbwegs natürlichen Nährstoffverhältnissen. Es ist daher schwer vorstellbar, dass er sich in land- und forstwirtschaftlich stark beeinflussten und eutrophierten Landschaften ausbreiten kann. Wenn größere Waldgebiete allerdings in naturnahe, submediterrane Laubwaldgesellschaften umgewandelt werden, könnte es dort in ferner Zukunft neue Populationen geben. Dann wäre der Kaiserling auch bei uns ein möglicher Gewinner des Klimawandels.
Ein Beitrag von Peter Karasch
Der Autor ist freiberuflicher Mykologe und Mitautor der aktuellen Roten Liste der Großpilze Deutschlands. Für die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) ist er Sprecher des Fachausschusses „Naturschutz und Kartierung“ sowie Landeskoordinator für die Pilzkartierung in Bayern. Er ist Ausbilder für PilzCoach und Feldmykologie in der DGfM. Gemeinsam mit Andreas Gminder hat der das 2023 in der Erstauflage herausgegebene Kosmos Handbuch Pilze verfasst. Weitere Aktivitäten als Mykologe finden sich auf seiner Webseite www.pilzteam-bayern.de.
Aktuelle Rote Liste der Großpilze Deutschlands
Dämmrich, F.; Lotz-Winter, H.; Schmidt, M.; Pätzold, W.; Otto, P.; Schmitt, J.A.; Scholler, M.; Schurig, B.; Winterhoff, W.; Gminder, A.; Hardtke, H.J.; Hirsch, G.; Karasch, P.; Lüderitz, M.; Schmidt-Stohn, G.; Siepe, K.; Täglich, U. & Wöldecke, K. (2016): Rote Liste der Großpilze und vorläufige Gesamtartenliste der Ständer- und Schlauchpilze (Basidiomycota und Ascomycota) Deutschlands mit Ausnahme der Flechten und der phytoparasitischen Kleinpilze. – In: Matzke-Hajek, G.; Hofbauer, N. & Ludwig, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 8: Pilze (Teil 1) – Großpilze. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (8): 31–433.
Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGFM)
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