Kategorieänderung gegenüber der vorherigen Roten Liste
Aktuelle Verschlechterung der Einstufung
Kommentar zur Gefährdung
Die Geburtshelferkröte ist eine westeuropäisch verbreitete Art, welche von Zentralspanien bis an den Rand der Norddeutschen Tiefebene vorkommt. Im äußersten Norden ihres Verbreitungsgebietes dringt sie entlang der Mittelgebirgsschwelle am weitesten nach Osten in kontinentalere Regionen, bis an den östlichen Harzrand, in das Thüringer Becken und den Thüringer Wald vor. Vorkommen existieren in weiten Teilen des Saarlandes, in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, im Süden Niedersachsens und dem angrenzenden Sachsen-Anhalt (Harz und Harzvorland), im westlichen Thüringen sowie im nördlichen Hessen und dem äußersten Nordwesten Bayerns. Von der Schweiz und dem Elsass aus erreicht die Geburtshelferkröte zudem den Süden Baden-Württembergs. Die TK25-Q-Rasterfrequenz (Zeitraum 2000 – 2018) beträgt 4,98 %, daraus folgt die Kriterienklasse „selten“. In zahlreichen TK25-Q wurde die Art nach dem Jahr 2000 nicht mehr nachgewiesen. Dieser Befund wird durch zahlreiche Berichte über einen rapiden Bestandsschwund bei noch vorhandenen Populationen und das Verschwinden ganzer Populationen untermauert (z. B. Kordges 2003, Böll & Hansbauer 2008, Schlüpmann 2009, Kronshage et al. 2011, Brückmann & Thiesmeier 2012, Westermann & Seyring 2015, Uthleb 2016, Wagner et al. 2019 a). Während die Art ein breites Spektrum an möglichst fischfreien Gewässern für die Larven nutzt, stellt sie an das nahegelegene Landhabitat hohe Ansprüche. Bevorzugt werden vegetationsarme bis -freie Böden, die gut besonnt sind. Diese sollten entweder gut grabfähig sein oder als Versteck geeignete Spalten und Hohlräume aufweisen. Traditionell fand die Geburtshelferkröte diese Bedingungen in ausgedehnten Hutelandschaften sowie in Dörfern und auf Höfen. Die Veränderungen in diesen Landschaftsbereichen führten im langfristigen Bestandstrend zu einem starken Rückgang. Aktuell werden die Habitatanforderungen fast nur noch in Abgrabungen erfüllt. Die Konzentration auf wenige große Abbaustellen, Veränderungen in der Abbau-Technologie sowie Rekultivierungen bedingen weitere Bestandseinbußen. Erhöhter Nährstoffeintrag führt zu verstärkter Sukzession, die den Landlebensraum entwertet und den Raumwiderstand für die zunehmend isolierten Populationen erheblich erhöht. Die Art besitzt zudem eine besonders hohe Prävalenz gegenüber dem Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis (Ohst et al. 2013, Böll et al. 2014), der insbesondere für Metamorphlinge regelmäßig letal ist (Böll et al. 2012). Dies alles führt zu der sehr starken Abnahme im kurzfristigen Bestandstrend. Insgesamt ergibt sich die Rote-Liste-Kategorie „Stark gefährdet“. Sowohl der langfristige Bestandstrend als auch der kurzfristige Bestandstrend wurden um jeweils eine Kriterienklasse schlechter eingestuft als in der letzten Roten Liste. Gründe sind verbesserte Kenntnisse durch eine bessere Datenlage sowie aktuelle Bestandseinbrüche. Damit ändert sich die Rote-Liste-Kategorie von vormals „Gefährdet“ auf „Stark gefährdet“. Die wichtigsten Gefährdungsursachen für die Geburtshelferkröte sind: Rückgang extensiver Beweidung; Verlust von Habitaten in Dörfern und auf Höfen; Fischbesatz in Reproduktionsgewässern; Verfüllung und Rekultivierung von Abbaustätten; Vernichtung von Kleinstrukturen im Offenland, die als Versteck geeignet sind (z. B. unverfugte Steinmauern); Sukzession der Landlebensräume; Ausbreitung des Chytridpilzes Batrachochytrium dendrobatidis durch Vektoren (z. B. durch Fischbesatz); Isolierung verbliebener Vorkommen.
Weitere Kommentare
Wichtig für die Geburtshelferkröte ist die unmittelbare Nachbarschaft von geeigneten Landlebensräumen und Reproduktionsgewässern (Entfernung möglichst < 100 m). Die Gewässer sollten nur gelegentlich austrocknen, fischfrei sein und Versteckmöglichkeiten für die Larven enthalten. Auf den Einsatz von Agrochemikalien sollte im Umfeld verzichtet werden. Als Landlebensräume werden auch kleinflächige Böschungen und Böschungsanrisse mit lückiger Vegetation genutzt; Böschungssicherungen sollten daher im Landlebensraum möglichst unterbleiben. Analog sollten Hangrutschungen in Abgrabungen zugelassen werden. Abgrabungen sollten nach Nutzungsaufgabe nicht verfüllt werden, sondern dem Artenschutz dienen (siehe Kirschey & Wagner 2013). Durch extensive Pflegemaßnahmen (Mahd, Rückschnitt aufkommender Gehölze) muss der offene Charakter dieser Abgrabungen gewahrt bleiben. Extensive Weideprojekte sind eine hervorragende Schutzmaßnahme, soweit geeignete Gewässer vorhanden sind oder angelegt werden. In Dörfern, auf Höfen und im Wald sollten Kleingewässer mit nahegelegenen steinigen Böschungen, Steinschüttungen und Trockenmauern gefördert werden. Im Wasserbau können durch Revitalisierung von Bächen im Hügel- und Bergland Stillwasserbereiche mit angrenzenden Prallhängen und Uferböschungen geschaffen werden; bereits bestehende Stillwasserbereiche mit den genannten Eigenschaften sollten toleriert werden. Hilfreich ist das Belassen von Totholz im Gewässer. Biber (Castor fiber) schaffen vielfach geeignete Strukturen, indem sie kleine Bäche stauen und durch ihre Baumfällungen besonnte Bereiche entstehen (Dalbeck et al. 2007). Das Wirken dieses „Ökosystemingenieurs“ ist aus Autorensicht in Vorkommensgebieten der Geburtshelferkröte zu fördern.
Arealrand
Nordöstlich
Einbürgerungsstatus
Indigene oder Archäobiota
Quelle
Rote-Liste-Gremium Amphibien und Reptilien (2020): Rote Liste und Gesamtartenliste der Amphibien (Amphibia) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (4): 86 S.
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