Ein großer bunter Schnabel, ein melancholisch wirkender Blick, leuchtend rote Füße und ein watschelnder, leicht unbeholfener Gang machen den Papageitaucher zu einem echten Sympathieträger. Oft wird er liebevoll als „Clown unter den Seevögeln“ bezeichnet. In der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands ist die Art zwar als „ausgestorben“ verzeichnet, dennoch werden alljährlich einzelne Vögel in den deutschen Küstengewässern gesichtet.
In Deutschland brütete der Papageitaucher (Fratercula arctica) bis in die 1830er-Jahre ausschließlich auf Helgoland. Seither konnte dort kein Brutnachweis mehr erbracht werden, so dass die Art in Deutschland als ausgestorben gilt. Dennoch kann man heute Papageitaucher mit etwas Glück hier sichten: Im Mai/Juni gesellen sich hin und wieder unverpaarte Tiere zu den Trottellummen (Uria aalge), die vor dem roten Felsen im Meer Kleinfische jagen. Auch außerhalb der Brutzeit werden vereinzelt Papageitaucher vor Helgoland und auf dem offenen Meer registriert. Bei den Lummen befindet er sich übrigens in bester Gesellschaft, denn gemeinsam mit ihnen zählt er zur nordischen Familie der Alkenvögel (Alcidae), die in ihrer Gestalt entfernt an die Pinguine der Südhalbkugel erinnern.
Das Verbreitungsgebiet des Papageitauchers erstreckt sich fast über den gesamten nordatlantischen Küstenraum. Rund sechs Millionen Paare verteilen sich auf Brutkolonien in Kanada, Grönland, Island, den Färöern, den britischen Inseln, der Bretagne, Norwegen einschließlich Spitzbergen bis zur sibirischen Doppelinsel Novaja Semlja. Man muss aber nicht in die Subarktis reisen, um das einzigartige Spektakel des Brutgeschäfts zu erleben. Hautnah gelingt dies auf verschiedenen kleineren Inseln vor der Küste Großbritanniens. Papageitaucher nehmen Menschen beispielsweise auf den Farne Islands (Northumberland im Nordosten Englands), der Isle of May (im Firth of Forth unweit der schottischen Hauptstadt Edinburgh) oder auf Skomer Island (Wales) nicht als Gefahr wahr. Bootstouren zu diesen Inseln, auf denen jeweils etliche tausend Paare brüten, garantieren daher auf den vorgegebenen Pfaden von April bis Juli unvergessliche Beobachtungen.
Mit ihren hohen, seitlich abgeplatteten Schnäbeln und den krallenbewehrten Schwimmfüßen graben die Vögel Bruthöhlen rund einen Meter tief in den Boden. Alternativ können auch alte Kaninchenbaue genutzt werden. Manchmal wird das Nest mit ein paar Stöckchen oder anderem Pflanzenmaterial ausgelegt. Papageitaucher-Paare leben in Einehe, die Partner sind sich oft ein Leben lang treu und kehren alljährlich zur selben Bruthöhle zurück. Im Allgemeinen sind sie friedfertig, doch wenn ein fremder Vogel in die eigene Höhle eindringt, muss dieser mit heftigen Attacken der angestammten Besitzer rechnen.
Beide Partner bebrüten abwechselnd sechs Wochen lang das einzige Ei. Das Küken wird anschließend sechs Wochen lang mit Fisch gefüttert, bis es im Schutz der Dunkelheit die Bruthöhle endgültig in Richtung Meer verlässt. Die Versorgung des Nestlings durch die Eltern erfolgt überwiegend mit Sandaalen.
Papageitaucher bewegen sich auf ihren etwa halbminütigen Tauchgängen sehr geschickt: Mit den Flügeln rudernd, gleichsam unter Wasser fliegend, jagen sie meist in 10-20 Meter Wassertiefe. Erbeutete Sandaale drücken sie mit der Zunge gegen den Oberschnabel und halten sie auf diese Weise fest, während sie die Jagd fortsetzen. Dann kehren sie oft mit Dutzenden kleiner Fische im Schnabel zu ihrem Nachwuchs zurück. Häufig werden sie beim Anflug von verschiedenen Möwenarten attackiert, die versuchen, ihnen die Beute abzujagen.
Vielleicht brüten eines Tages auch wieder Papageitaucher auf Helgoland, so dass die Art dann aus der Rote-Liste-Kategorie „ausgestorben“ entlassen werden könnte. Der Bestandstrend im Nordatlantik ist allerdings kritisch: Die Überfischung der Meere und der Klimawandel wirken sich negativ auf die Nahrungsgrundlage der Papageitaucher aus, die auf reiche Sandaalbestände in der Nähe ihrer Kolonien angewiesen sind.
Einige Brutkolonien sind in den letzten 20 Jahren stark geschrumpft oder sogar völlig zusammengebrochen. Die Zukunft dieses einzigartigen Seevogels in unseren Breiten ist daher leider ungewiss.
So sympathisch wie der Vogel ist übrigens die Geschichte zur Herkunft seines wissenschaftlichen Gattungsnamens „Fratercula“: Das lateinische Wort bedeutet „kleiner Bruder“ und ist hier im Sinne von Ordensbruder gemeint. Der Name geht auf den englischen Arzt John Caius zurück, der ihn im 16. Jahrhundert dem Schweizer Naturforscher Conrad Gessner scherzhaft für dessen Vogelbuch vorschlug. Caius fühlte sich beim Anblick des Papageitauchers an einen Mönch erinnert, der ein schwarzes Gewand mit Kapuze trägt. Erst 1760 wurde der Name Fratercula dann vom französischen Naturforscher M.-J. Brisson offiziell als Gattungsname benutzt.
Ein Beitrag von Dr. Hannes Petrischak
Der Autor ist Zoologe und leitet den Geschäftsbereich Naturschutz der Heinz Sielmann Stiftung. Kontakt: www.sielmann-stiftung.de.
Weitere Informationen zur Rote-Liste-Bewertung des Papageitauchers enthält der Steckbrief aus unserer Artensuchmaschine. Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf.
Quellen
Dierschke, J., Dierschke, V., Hüppop, K., Hüppop, O. & Jachmann, K. F. (2011): Die Vogelwelt der Insel Helgoland, OAG Helgoland, 630 S.
Dunn, E. (2014): Puffins. Bloomsbury, London, 128 S.
Kostrzewa, R. (2015): Atlantische Papageitaucher in Not. Biologie in unserer Zeit 45 (5), S. 322-329.
Springer, K. B. & Kinzelbach, R. K. (2009): Das Vogelbuch von Conrad Gessner (1516-1565). Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg, 581 S.
Rote Liste
Grüneberg, C.; Bauer, H.-G.; Haupt, H.; Hüppop, O.; Ryslavy, T. & Südbeck, P. (2016): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands. 5. Fassung, 30. November 2015. – Berichte zum Vogelschutz 52: 19–67.