Aus Ameisensicht müsste die Ameisenassel die ideale Mitbewohnerin sein: Sie wohnt in Ameisennestern und beseitigt die Abfälle ihrer Gastgeber. Ziehen die Ameisen aus und verlassen das Nest, spürt die Assel anhand des Ameisensäuredufts eine neue Wohnung auf. Während bekannte Arten wie die Kellerassel und die Gemeine Rollassel häufig in unseren Gärten oder Kellern zu sehen sind, ist die Ameisenassel selten außerhalb ihrer Wohngemeinschaften zu finden.
Die wenig bekannte Ameisenassel (Platyarthrus hoffmannseggii) gehört zu den Land- oder Binnenasseln, den einzigen Krebstieren, die vollständig an eine terrestrische Lebensweise angepasst sind. Das farblose und blinde Tier ist trotz seiner geringen Körpergröße von maximal 5 Millimeter sehr einfach an seinem breiten und flachen Körperbau zu erkennen und kann kaum mit einer anderen heimischen Asselart verwechselt werden.
Während die meisten Landasseln überwiegend in der oberen Bodenschicht, unter Steinen oder unter der Borke von Gehölzen leben und pflanzliche Reste verspeisen, verbringt die Ameisenassel einen Großteil ihres Lebens in den Nestern von Ameisen. Sie ernährt sich dort hauptsächlich vom Kot ihrer Gastgeber. Bei welcher Ameisenart sie sich aufhält, spielt für sie keine große Rolle. Ihre Körpergröße ist in gewissen Grenzen variabel: Lebt sie im Nest einer kleineren Ameisenart, so tendiert auch sie selbst zu einer geringeren Größe.
Innerhalb des Ameisennests wird die Assel nach einer kurzen “Probezeit“ meist akzeptiert und bleibt in der Regel unbehelligt. Falls sie doch einmal von ihren Gastgebern attackiert wird, drückt sie ihren flachen, breiten Körper an den Boden. So bietet sie den Ameisen nur wenig Angriffsmöglichkeiten und kommt dank ihres Rückenpanzers meist unbeschadet davon. Zusätzlich kann sie ein Abwehrsekret produzieren und ist damit gut gewappnet, um in Ameisennestern zu überleben.
Doch die Ameisenassel besitzt noch eine weitere erstaunliche Fähigkeit: Ziehen die Ameisen aus ihrem Nest aus und gehen die verwertbaren Ressourcen infolgedessen zur Neige, nimmt die Assel die Witterung von Ameisensäure auf, um ein neues, bewohntes Nest aufzuspüren.
Trotz der recht spezifischen Ansprüche ist sie in Europa weit verbreitet und ebenso in Nordafrika, Vorderasien und Nordamerika zu finden. Auch wenn sie hierzulande weniger häufig beobachtet wird als andere Asseln, kann man sie in Ameisennestern regelmäßig finden. Negative Bestandsveränderungen scheint es nicht zu geben. Deshalb wird die Art in der Roten Liste der Binnenasseln Deutschlands (2016) als ungefährdet eingestuft.
Leider geht es nicht allen einheimischen Landasseln so gut. Die Höhlenassel (Proasellus cavaticus) beispielsweise ist vom Aussterben bedroht und die seltene Rollassel (Armadillidium zenckeri) gilt als gefährdet. In der neuen Roten Liste der Binnenasseln Deutschlands, die gerade erarbeitet wird, werden auch die Ursachen dieser negativen Tendenzen erläutert: Den Asseln machen vor allem Lebensraumverluste zu schaffen, die u.a. durch Bodenversiegelung oder eine Intensivierung der Flächenbewirtschaftung verursacht werden. Darüber hinaus werden Asseln durch die Fragmentierung ihrer Lebensräume gefährdet.
Ein Beitrag von Benedikt Kästle
Benedikt Kästle ist Student der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen und arbeitet neben seinem Studium als Hilfswissenschaftler in der Paläontologie. Er beschäftigt sich seit dem Jahr 2019 intensiv mit Landasseln und ihrer Taxonomie und ist Mitgründer der American Isopod and Myriapod Group. Benedikt Kästle wirkt an der neuen Roten Liste der Binnenasseln Deutschlands mit. Auf Instagram betreibt er einen Kanal über einheimische und tropische Asseln unter dem Namen @sumerian.demon .
Rote Liste der Binnenasseln Deutschlands
Grünwald, M. (2016): Rote Liste und Gesamtartenliste der Landasseln und Wasserasseln (Isopoda: Oniscidea et Asellota) Deutschlands. – In: Gruttke, H.; Balzer, S.; Binot-Hafke, M.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G.; Matzke-Hajek, G. & Ries, M. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 4: Wirbellose Tiere (Teil 2). – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (4): 349–363.
Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar.
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