Eine anspruchsvolle Moorbewohnerin

Moosjungfern gehören zur Familie der Segellibellen, sind aber recht zierliche Vertreter dieser Großlibellengruppe. Der deutsche Name bezieht sich auf das Vorhandensein von Wassermoosen im Lebensraum der Larven. Mit einer Länge von nur 35 mm ist die Kleine Moosjungfer die kleinste Vertreterin ihrer Gattung.

Die "Weißgesichter" unter den Libellen

Männchen der Kleinen Moosjungfer – die orange-roten Flecken werden mit dem Alter dunkler.

Männchen der Kleinen Moosjungfer – die orange-roten Flecken werden mit dem Alter dunkler.

Foto: Robert Mertl/adobestock.com

Der wissenschaftliche Gattungsname der Kleinen Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) ist abgeleitet von griechisch leukos (= weiß) und rhinos (= nasig). Die fünf bei uns vorkommenden Arten sind also „Weißgesichter“. Der wissenschaftliche Artname, vom lateinischen Wort dubius für zweifelhaft, spielt darauf an, dass der Erstbeschreiber Pierre Léonard Vander Linden, ein flämischer Arzt und Naturwissenschaftler, unsicher war, ob die Art nicht vielleicht schon von Carl von Linné beschrieben worden war. Dessen Nordische Moosjungfer (Leucorrhinia rubicunda) besitzt zwar eine große Ähnlichkeit, war jedoch nicht identisch.

Ein Stachelkleid gegen Fische

Der bevorzugte Lebensraum der Kleinen Moosjungfer sind besonnte, höchstens mäßig nährstoffreiche saure Moor- und Heidegewässer mit ausgeprägten Wassermoosbeständen. Diese dürfen aber höchstens sehr kurzzeitig austrocknen und im Winter nicht bis zum Grund durchfrieren. Zwischen den untergetaucht wachsenden Moosen finden die Larven Schutz vor potenziellen Räubern, vor allem vor Fischen. Größere Moosjungfer-Bestände sind deshalb nur in fischfreien Gewässern anzutreffen. Es konnte aber nachgewiesen werden, dass Larven in Gewässern mit Fischen signifikant längere Seiten- und Rückendornen aufweisen. Im Wasser verbringen sie meist zwei Jahre, bei ungünstigeren Bedingungen bis zu vier. Ihre Nahrung besteht vor allem aus Wasserflöhen und Mückenlarven, ältere Larven machen aber auch nicht vor kleinen Artgenossen halt.

Der Schlupf der fertigen Libellen aus ihrer letzten Larvenhaut beginnt in Deutschland etwa Anfang Mai, die Hauptflugzeit dauert von Mitte Mai bis Anfang Juli, im Gebirge liegt sie etwas später. Die Imagines sind sehr sonnenhungrig, Schatten schränkt ihre Aktivitäten ein. Die Tiere fliegen relativ schnell, aber meist nur kurze Strecken, ihr Flug wirkt dabei leicht hüpfend.

Nur bei geringer Dichte bilden die Männchen am Gewässer feste Territorien aus, in denen sie auf heranfliegende Weibchen warten. Die 20 bis 50 Minuten dauernde Paarung beginnt mit der Bildung eines Paarungsrades. Danach wird das Weibchen zur Eiablagezone geführt. Anfangs wird es bei der Ablage der Eier noch vom über ihm rüttelnden Männchen bewacht. Fliegend berührt das Weibchen mit dem Hinterleibsende die Wasseroberfläche und streift dabei mit wippenden Bewegungen jeweils Portionen von mehreren Eiern ab.

Das Wasser wird knapp!

Die Art stellt ein eurosibirisches Faunenelement mit vorwiegend nördlicher Verbreitung dar. In Deutschland kommt sie nur zerstreut vor, ist aber meist die häufigste Moosjungfern-Art.

Vor der intensiven Nutzung der Moorgebiete war die Art gewiss viel weiter verbreitet und mit größeren Populationen vertreten. In intakten Habitaten kann sie aber auch heute noch als sogenannte Massenart auftreten, wobei lokal hunderte bis tausende Individuen schlüpfen. Allerdings können die Populationsgrößen von Jahr zu Jahr stark schwanken.

In vielen Gebieten ist der Bestand mannigfaltigen Gefährdungen ausgesetzt. Neben dem künstlichen Besatz der Gewässer mit Fischen und dem Verlust von Moor- und Heideweihern sind dies vor allem anthropogene Nährstoffeinträge, die die Verlandung der Gewässer beschleunigen. Ein Sinken des Wasserstandes wird zusätzlich durch den Klimawandel verstärkt. Die Kleine Moosjungfer ist also als typische Vertreterin von Libellenarten zu sehen, welche zunehmend durch Austrocknung ihrer Entwicklungsgewässer gefährdet sind.

Typischer Entwicklungsort für Leucorrhinia dubia: Kleingewässer in einem Moor mit dichtem Bestand von flutenden Torfmoosen. Foto: Kara/adobestock.com

Typischer Entwicklungsort für Leucorrhinia dubia: Kleingewässer in einem Moor mit dichtem Bestand von flutenden Torfmoosen.

Foto: Kara/adobestock.com

Rote-Liste-Bewertung

Alle einheimischen Moosjungfern sind bestandsgefährdet. In der Roten Liste der Libellen Deutschlands (Stand 2012) wird die Kleine Moosjungfer als „gefährdet“ geführt.

Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf.

Weitere Informationen zur Rote-Liste-Bewertung der Kleinen Moosjungfer – inklusive Bestandssituation, kurz- und langfristiger Bestandstrend – enthält der Steckbrief aus unserer Artensuchmaschine.

Quellen/Rote Liste zum Artikel

Rote Liste

Ott, J.; Conze, K.-J.; Günther, A.; Lohr, M.; Mauersberger, R.; Roland, H.-J. & Suhling, F. (2021): Rote Liste und Gesamtartenliste der Libellen (Odonata) Deutschlands, 3. Fassung, Stand Anfang 2012. – In: Ries, M.; Balzer, S.; Gruttke, H.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 5: Wirbellose Tiere (Teil 3). – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (5): 659–679.

Die Rote-Liste-Daten stehen zum Download zur Verfügung.

Literatur

  • Ott, J. (2015): Leucorrhinia dubia (Vander Linden, 1825) – Kleine Moosjungfer. In: Brockhaus, T.; Roland, H.-J.; Benken, T.; Conze, K.-J.; Günther, A.; Leipelt, K. G.; Lohr, M.; Martens, A.; Mauersberger, R.; Ott, J.; Suhling, F.; Weihrauch, F. & Willigalla, C. (Hrsg.): Atlas der Libellen Deutschlands. Libellula Supplement 14: 262–265.

  • Sternberg, K. (2000): Leucorrhinia dubia (Vander Linden, 1825) – Kleine Moosjungfer. – In: Sternberg, K. & Buchwald, R. (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen (Anisoptera). – Stuttgart (Ulmer): 712 S.

  • Wildermuth, H. & Martens, A. (2019): Die Libellen Europas. – Wiebelsheim (Quelle & Meyer): 958 S.

Kleine Moosjungfer

(Leucorrhinia dubia)

Rote-Liste-Kategorie: Gefährdet