Die Gewöhnliche Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) gehört zu den Hahnenfußgewächsen und ist ein bekannter und beliebter Frühjahrsblüher. Zwischen dem Abschmelzen des letzten Schnees und dem Aufblühen der ersten Küchenschellen liegen manchmal nur wenige Tage. Die Blütenknospen werden bereits im Herbst gebildet und müssen sich nach dem Winter nur noch strecken. Gleich nach dem Erwachen aus der Winterruhe werden die violetten Blüten von unterschiedlichen Furchen- und Mauerbienen besucht, die eifrig Nektar tanken und Pollen sammeln. Dabei bestäuben sie die Fruchtknoten, die im Zentrum jeder Blüte sitzen und aus denen sich zwischen 30 und 90 winzige Nüsschen entwickeln. Nach dem Verwelken der Blütenkrone wachsen die fädigen Griffel dieser Fruchtknoten zu silbrigen Federschweifen aus. Die lösen sich allerdings nicht so leicht wie die Fallschirme eines Löwenzahns. Erst bei kräftigen Windböen werden sie einzeln oder gleich als ganzer Federball abgerissen und vom Wind verfrachtet.
Oft missverstanden wird die deutsche Bezeichnung Küchenschelle. Mit der Küche hat die Pflanze nichts zu tun, weshalb man ihr manchmal den Namen Kuhschelle – also Kuh-Glocke – gibt. Aber auch diese Deutung geht fehl. Das Wort kommt von „Kucke“, einem süddeutschen Wort für die leere Schale von Vogeleiern. Das Wort Kokon ist damit eng verwandt und im Französischen heißt unsere Pflanze coquelourde oder coquerelle, ein Name mit ähnlichem Ursprung. „Küchenschelle“ bedeutet also eigentlich „Eierschalen-Glocke“.
In Deutschland ist die Gewöhnliche Küchenschelle die häufigste und am weitesten verbreitete von insgesamt fünf Küchenschellen-Arten. Wobei „gewöhnlich“ sehr relativ ist, denn die Pflanze ist im Lauf der Jahrzehnte stark zurückgegangen und heute fast nur noch auf nährstoffarmen Kalkböden in einigen Mittelgebirgen zu finden. Hier gedeiht sie auf warmen, sonnenexponierten Hängen und Kuppen, aber nur dort, wo nie gedüngt wurde und die Grasnarbe kurz und lückig ist. Viele frühere Wuchsorte der Art sind in der Vergangenheit als unrentabel aufgegeben oder aufgeforstet worden. Andere Vorkommen sind verschwunden, weil Magerrasen in Intensiv-Grünland umgewandelt wurden. Dünger schädigt die Pflanzen zwar nicht direkt, aber er verschafft anderen Pflanzen, welche die Nährstoffe rascher aufnehmen und verwerten, einen deutlichen Vorsprung. Konkurrenzschwache und lichthungrige Arten wie die Küchenschelle gehen dann im dichten Bewuchs unter. So hat die Küchenschelle heute fast nur noch in Naturschutzgebieten überlebt, in denen eine extensive Beweidung mit Schafen oder eine schonende Mahd ohne Düngung betrieben wird.
In der Roten Liste der Farn und Blütenpflanzen Deutschlands ist die Gewöhnliche Küchenschelle als gefährdet eingestuft. In einigen Bundesländern ist sie vom Aussterben bedroht.
Weitere Informationen zur Rote-Liste-Bewertung der Gewöhnlichen Küchenschelle – inklusive Bestandssituation, kurz- und langfristiger Bestandstrend sowie Verantwortlichkeit Deutschlands für die weltweite Erhaltung dieser Art – finden Sie im Arten-Steckbrief.
Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf.
Metzing, D.; Garve, E. & Matzke-Hajek, G. (2018): Rote Liste und Gesamtartenliste der Farn- und Blütenpflanzen (Trachaeophyta) Deutschlands. – In: Metzing, D., Hofbauer, N., Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Bearb.): Rote Liste der gefährdeten Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 7: Pflanzen. – Bonn (Bundesamt für Naturschutz). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (7): 13–358.
Die Rote-Liste-Daten stehen zum Download zur Verfügung.
Rote-Liste-Kategorie: Gefährdet