Keine Mücke, sondern... ein Schmetterling!

Selbst erfahrene Naturinteressierte übersehen sie leicht – die kleinen, flinken Falter aus der Familie der Glasflügler (Sesiidae). Obwohl tagaktiv, bleiben sie wegen ihres schnellen Fluges meist unentdeckt, und wenn sie doch einmal auffallen, werden sie meist nicht als Schmetterlinge erkannt, sondern für Wespen, Bienen oder Fliegen gehalten.

Nur die Strand-Grasnelke schmeckt ihm

Ein Männchen des Grasnelken-Glasflüglers. Foto: Frank Rämisch

Ein Männchen des Grasnelken-Glasflüglers.

Foto: Frank Rämisch

„Sieht aus wie eine Mücke“ dachte sich auch 1783 der bekannte Naturforscher Eugen Johann Christoph Esper als er dieses Insekt in seinem Werk über europäische Schmetterlinge als neu für die Wissenschaft beschrieb und ihm den deutschen Namen „Mückenschwärmer“ gab. Als wissenschaftlichen Namen wählte er Sphinx muscaeformis, zu deutsch etwa „der fliegenförmige Schwärmer“, was wohl daran lag, dass Namen wie „culiciformis“ (stechmückenähnlich) und „tipuliformis“ (schnakenähnlich) bereits vergeben waren. Heute wird das zierliche Insekt nach seiner Nahrungspflanze treffender als Grasnelken-Glasflügler bezeichnet. Dieser gehört in Deutschland zu den stark gefährdeten Schmetterlingen. In der letzten Roten Liste der Spinnerartigen Falter Deutschlands ist die Art unter dem Namen Synansphecia muscaeformis behandelt, mittlerweile wird sie einer anderen Gattung zugeordnet und heißt jetzt Pyropteron muscaeformis.

Der Falter hat eine auf Europa beschränkte Verbreitung, ist dort aber nur sehr zerstreut und inselartig nachgewiesen. Überall ist er eng an die Vorkommen seiner einzigen Nahrungspflanze, die Strand-Grasnelke (Armeria maritima), gebunden. In Deutschland findet man den Grasnelken-Glasflügler deshalb in den eiszeitlich geprägten Sandgebieten im Norden und Nordosten, während viele ehemalige west- und süddeutsche Populationen schon seit Langem erloschen sind. Weiterhin lebt die Art auf schwermetallhaltigen Bergbauhalden im Süden Sachsen-Anhalts und an der Nordseeküste auf Salzwiesen der Insel Sylt.

Raupe von Pyropteron muscaeformis im Fraßgang einer Grasnelkenwurzel. Foto: Frank Rämisch

Raupe von Pyropteron muscaeformis im Fraßgang einer Grasnelkenwurzel.

Foto: Frank Rämisch

Die blasse, wenig attraktive Raupe entwickelt sich im oberen Bereich der Wurzel (rhizophag) dieser Pflanze und kann ihr mit ihrer Fraßtätigkeit erheblich zusetzen. Da die Falterweibchen in der Regel vorgeschädigte alte Pflanzen zur Eiablage nutzen, sind stärkere Beeinträchtigungen der Grasnelken-Bestände jedoch nicht zu befürchten. Nach der Überwinterung verpuppt sich die Raupe am Ende des Fraßganges in der Wurzel und der Falter schlüpft ab Anfang Juni aus einer Wurzelöffnung. Bis Anfang August können die Schmetterlinge dann in ihren Lebensräumen nachgewiesen werden. Sie sind im Gegensatz zu vielen anderen Arten aus der Glasflügler-Verwandtschaft weniger gewandte Flieger und vor allem die Weibchen lassen sich am späten Nachmittag beim Blütenbesuch – ebenfalls fast ausschließlich auf Grasnelken – auffinden.

Es gibt immer weniger Grasnelken-Glasflügler

Allerdings sind seit Ende der 1990er Jahre die Bestände von P. muscaeformis z.B. in Brandenburg, dem Verbreitungsschwerpunkt der Art in Deutschland, stark zurückgegangen und so gibt es dort gegenwärtig nur noch wenige wirklich gut besetzte Habitate. Über die Ursachen dieser Abnahme liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor; neben dem Verschwinden von geeigneten Lebensräumen durch Habitatzerstörung (Urbanisierung, Überweidung, unkontrollierte Sukzession) sowie Schad- und Nährstoffeinträge aus umliegenden Flächen könnten daran auch Parasitoide, z.B. Schlupfwespen, beteiligt sein.

Die wichtigste Schutzmaßnahme besteht im Erhalt der wertvollen, großflächigen Sandtrockenrasen mit Vorkommen alter Armeria-Pflanzen, damit eine erhoffte Erholung der Bestände des Grasnelken-Glasflüglers überhaupt einsetzen kann.

Die Wahl der Strand-Grasnelke zur „Blume des Jahres 2024“ lässt hoffen, dass von dieser erhöhten Aufmerksamkeit auch unser hochgefährdeter Schmetterling profitiert, zumal sich Pyropteron muscaeformis „…hervorragend als Leitart des Naturschutzes zur Sicherung der letzten mitteleuropäischen Trockenrasengesellschaften und Schwermetallrasen“ eignet (Kallies & Sobczyk 2001).

Lebensräume des Grasnelken-Glasflüglers – hier ein Sandtrockenrasen auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in Brandenburg – sind durch Bebauung, Viehhaltung und Sukzession akut gefährdet. Foto: Frank Rämisch

Lebensräume des Grasnelken-Glasflüglers – hier ein Sandtrockenrasen auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in Brandenburg – sind durch Bebauung, Viehhaltung und Sukzession akut gefährdet.

Foto: Frank Rämisch

Literatur und Rote Liste zum Artikel

Kallies, A. & Sobczyk, T. (2001): Verbreitung und Ökologie des Grasnelken-Glasflüglers, Pyropteron muscaeforme (Esper, 1783), in Deutschland (Lepidoptera: Sesiidae). – Nachrichten des Entomologischen Vereins Apollo, N.F. 22 (3): 149-158).

Rennwald, E., Sobczyk, T. & Hofmann, A. (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Spinnerartigen Falter (Lepidoptera: Bombyces, Sphingea s.l.) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70(3): 243-283.

Die Rote-Liste-Daten der Spinnerartigen Falter sind als kostenfreier Download verfügbar. Eine schnelle Übersicht mit Kurz-Steckbriefen bietet die Gesamtartenliste.

Grasnelken-Glasflügler

Rote-Liste-Kategorie: Stark gefährdet