Knallrote Mini-Schüsseln am Waldboden

Zur klassischen Pilz-Saison gehört der Februar nicht gerade. Dennoch müssen Pilz-Interessierte jetzt keineswegs zu Hause bleiben und auf bessere Zeiten hoffen. Sie könnten ebenso gut auf die Suche nach typischen Winterpilzen wie Judasohr oder Samtfußrübling gehen. Ein besonders auffälliger, wenn auch seltener Vorbote des Frühlings ist der Zinnoberrote Prachtbecherling. Kaum ist der Januarschnee geschmolzen, erscheinen seine kleinen grell-roten Fruchtkörper am Waldboden, genauer gesagt, auf vermodernden Zweigen in der Moos- und Streuschicht: Er ist unsere Art des Monats Februar.

Übersehen? Nein selten!

Ein Signal für Tiere oder bloß eine Laune der Natur? Im Spätwinter sind die grellroten Fruchtbecher von Sarcoscypha coccinea die einzigen Farbtupfer am Waldboden. Foto: Ju_see/AdobeStock

Ein Signal für Tiere oder bloß eine Laune der Natur? Im Spätwinter sind die grellroten Fruchtbecher von Sarcoscypha coccinea die einzigen Farbtupfer am Waldboden.

Foto: Ju_see/AdobeStock

Die ersten winzigen Fruchtkörper lassen sich ausnahmsweise schon im Spätherbst finden. Größer und nicht zu übersehen sind sie aber erst im Februar und März. Die Art, die in einigen Büchern auch „Scharlachroter Kelchbecherling“ heißt, kommt fast nur in Au- und Schluchtwäldern vor und ist deutschlandweit selten. Man könnte allerdings auf die Idee kommen, dass die geringe Zahl der Nachweise mit der frühen Erscheinungszeit zu tun hat. Doch pilzkundige Naturfreundinnen und -freunde wissen, dass es praktisch keinen Monat gibt, in dem es nicht lohnen würde, die Augen auf Boden und Totholz zu richten. Und wer nicht gerade eine ausgeprägte Farbsehschwäche hat, kann die Fruchtkörper unserer Februar-Art auf dem gänzlich unbunten Waldboden nicht übersehen. Die von Fachleuten attestierte Seltenheit dürfte daher der Realität entsprechen.

Ein scharfsinniger Südtiroler

Wichtige Erkennungsmerkmale des Zinnoberroten Prachtbecherlings (Sarcoscypha coccinea) sind schüsselförmige, 1-2 cm hohe Fruchtkörper von bis zu 4 cm Durchmesser. Anfangs ist die Sporen-produzierende Innenseite, das Hymenium, leuchtend rot, später verblasst die Farbe zu Ziegel- oder Orangerot. Die Außenseite ist dagegen matt weißlich, wobei die rote Farbe im Gegenlicht deutlich durchscheint. Giftig ist der Pilz zwar nicht, aber als Speisepilz taugt er wegen seines faden Geschmacks und der Kleinheit auch nicht. Man sollte ihn schonen und sich an seinem Anblick erfreuen.

Die Erstbeschreibung des Pilzes findet sich in einem 1772 erschienenen Buch des Südtiroler Naturforschers Johann Anton Scopoli (1723-1788). Darin charakterisiert dieser den Wuchsort der Art in den Alpen bereits sehr treffend. Im gelehrten Latein der Wissenschaftler heißt es dort: „Habitat in cortice ramulorum marcidorum terrae incumbentium“ – zu deutsch: Er lebt an der Rinde verrottender, an der Erde liegender Zweige.

Gehölzkenntnis erleichtert die Pilzbestimmung

Zwei Namen  –  eine Art: In der Roten Liste der Großpilze heißt er „Zinnoberroter Prachtbecherling", in anderen Quellen „Scharlachroter Kelchbecherling".  Foto: Gerhard/AdobeStock

Zwei Namen  –  eine Art: In der Roten Liste der Großpilze heißt er „Zinnoberroter Prachtbecherling", in anderen Quellen „Scharlachroter Kelchbecherling".

Foto: Gerhard/AdobeStock

Das gilt ohne Einschränkung auch bei uns, und wer jetzt noch die Artzugehörigkeit der Zweige erkennen kann, hat ein weiteres wichtiges Merkmal erfasst, um zwei andere sehr ähnliche Arten aus derselben Gattung auszuschließen: Kelchbecher von Sarcoscypha coccinea wachsen eher auf Hasel-, Buchen- oder Ulmenästchen, während die beiden verwandten Arten vermorschende Zweige von Erlen bzw. Linden bevorzugen. Es lohnt sich also, unsere häufigeren Gehölze auch im Winterzustand identifizieren zu können. Hundertprozentige Sicherheit bei der Sarcoscypha-Bestimmung gibt allerdings nur eine mikroskopische Untersuchung der frischen Sporen sowie der Haare auf der Außenseite der Fruchtkörper.

Die vorgestellte Art gilt in Deutschland laut Roter Liste von 2016 als gefährdet, denn ihre wichtigsten Lebensräume, naturnahe Feuchtwälder, haben in ihrer Qualität und Flächenausdehnung in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen. Grundwasserabsenkungen, Kahlschlagwirtschaft und die Versauerung von Waldböden dürften die wesentlichen Ursachen dafür sein.

(Artikel erstellt am 3.2.2025)

Weitere Informationen

Rote Liste der Großpilze Deutschlands
Dämmrich, F.; Lotz-Winter, H.; Schmidt, M.; Pätzold, W.; Otto, P.; Schmitt, J.A.; Scholler, M.; Schurig, B.; Winterhoff, W.; Gminder, A.; Hardtke, H.J.; Hirsch, G.; Karasch, P.; Lüderitz, M.; Schmidt-Stohn, G.; Siepe, K.; Täglich, U. & Wöldecke, K. (2016): Rote Liste der Großpilze und vorläufige Gesamtartenliste der Ständer- und Schlauchpilze (Basidiomycota und Ascomycota) Deutschlands mit Ausnahme der Flechten und der phytoparasitischen Kleinpilze. – In: Matzke-Hajek, G.; Hofbauer, N. & Ludwig, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 8: Pilze (Teil 1) – Großpilze. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (8): 31–433.

Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar.

Rote-Liste-Steckbrief  Zinnoberroter Prachtbecherling

Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM)

 

Zinnoberroter Prachtbecherling (Sarcoscypha coccinea)


Rote-Liste-Kategorie: Gefährdet