Gute Nachrichten: Es gibt sie in Deutschland noch, die Wald-Schnirkelschnecke. Seit 1954 konnte sie nicht mehr nachgewiesen werden, aber im September 2020 gelang einer Mollusken-Spezialistin ein Lebendnachweis am Hochrhein. Ein ermutigendes Zeichen – die Population kann allerdings langfristig nur dann gesichert werden, wenn der Lebensraum des seltenen Tieres geschützt wird.
Im Sommer 2020 beauftragte das Rote-Liste-Zentrum die Mollusken-Expertin Anette Rosenbauer aus Baden-Württemberg mit der gezielten Nachsuche nach zwei in Deutschland verschollenen bzw. extrem seltenen Schneckenarten. Dabei gelang erstmals seit 1954 ein Lebendnachweis der Wald-Schnirkelschnecke: Im Schwarzwald am Hochrhein wurden neben einigen alten Gehäusen am Fundort sieben lebende Tiere entdeckt.
In Deutschland war die Wald-Schnirkelschnecke (Cepaea sylvatica, nach neuerer Taxonomie auch als Macularia sylvatica bezeichnet) früher nur am Hochrhein und im Oberrheintal anzutreffen, aber nachdem die letzten Funde mehr als 60 Jahre zurück liegen, galt die Art in Deutschland als ausgestorben oder verschollen (Rote Liste der Binnenmollusken Deutschlands, Jungbluth & von Knorre 2011). Das hat sich mit der Wiederentdeckung geändert. Der Status der Art muss daher in der neuen Roten Liste der Binnenmollusken Deutschlands, die derzeit vorbereitet wird, angepasst werden.
International gilt die Wald-Schnirkelschnecke als nicht bedroht; sie ist in der Roten Liste der IUCN als „ungefährdet“ eingestuft (Kategorie LC). Die Art ist in den schweizerischen, französischen und italienischen Alpen verbreitet und kommt in der Schweiz auch entlang des Hochrheins vor. Sie lebt bevorzugt an Felsen in offenen Laubwäldern oder in Waldnähe und kann in den Alpen auf Höhen bis zu 2.500 Metern vorkommen.
Der Name „Schnirkelschnecke“ geht übrigens auf ein heute in der Alltagssprache nicht mehr benutztes Synonym zu „Schnörkel“ zurück und weist auf das gewundene, „verschnörkelte“ Gehäuse dieser Schnecken-Gattung hin. Es wird bis zu 2,5 Zentimeter breit und bis zu 1,5 Zentimeter hoch. Der Schneckenkörper kann während des Kriechens bis zu 5 Zentimeter lang werden.
Der Wiederfund ist eine frohe Botschaft! Er sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Art aus weiten Teilen ihres einstigen Verbreitungsgebietes in Deutschland verschwunden ist. Trotz intensiver Nachsuche an anderen Orten ihres ehemaligen bzw. potentiellen Verbreitungsgebietes durch Anette Rosenbauer konnte die Wald-Schnirkelschnecke dort nicht (wieder-)gefunden werden.
Bei der aktuellen Nachsuche im Schwarzwald konnte der Alpenschnegel (Lehmannia janetscheki), eine Nacktschnecke, nach der ebenfalls Ausschau gehalten wurde, nicht gefunden werden. Das heißt jedoch nicht, dass er am historischen Fundort nicht mehr existiert, sondern nur, dass er trotz günstiger Witterungsverhältnisse und intensiver Suche nicht gefunden wurde. Schon bei der letzten sorgfältigen Suche (Schmid, G., 1989) wurden nur einige wenige Tiere gefunden. Es gibt aber gesicherte und aktuelle Nachweise der Art aus Bayern. Der Alpenschnegel gilt deshalb vorläufig weiterhin als „extrem selten“.
Im Zuge der vorbereitenden Arbeiten, die bereits Teil des Erstellungs- oder Aktualisierungsprozesses der Roten Listen Deutschlands sind, setzt das Rote-Liste-Zentrum neben der Erfassung von verfügbaren Daten und Monitoring-Ergebnissen auf gezielte Nachsuchen. Diese zielgerichteten Kartierungen beziehen sich immer auf Einzelarten, die entsprechend der aktuell gültigen Roten Liste als ausgestorben, verschollen, vom Aussterben bedroht, extrem selten oder stark gefährdet gelten. Dabei untersuchen Expert*innen der jeweiligen Artengruppen an bekannten Standorten historischer Verbreitung oder in anderen potentiell für die Art geeigneten Lebensräumen, ob die Zielart dort noch vorkommt oder nicht.
Diese Strategie hat sich als sehr effektiv erwiesen und dazu geführt, dass der Gefährdungsgrad dieser Arten genauer eingeschätzt werden kann und die Aussagekraft der jeweiligen Roten Liste weiter verbessert wird. Auch wenn Funde wie die der Wald-Schnirkelschnecke sehr gute und freudige Nachrichten sind: Oftmals ist das Ergebnis der Nachsuchen negativ. Auch das ist ein wichtiges Resultat, zeigt es doch, dass ein effektiver Habitatschutz unverzichtbar ist, um dem Aussterben von weiteren Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Deutschland entgegenzuwirken.