Aus Deutschland sind derzeit 2.187 Flechtenarten, 562 flechtenbewohnende Pilze und weitere 55 flechtenähnliche Pilze bekannt. Diese Zahl erhöht sich laufend, sowohl durch eine bessere Erforschung von Flechtenhabitaten, als auch durch taxonomische Untersuchungen. Mit dem neuen Datenportal „Flechten Deutschlands“ wird es künftig leichter, Beobachtungsdaten zu erfassen und für den Naturschutz und die Roten Listen zu verwenden.
Flechten Deutschlands ist mit seinen Verbreitungskarten ein Portal für all diejenigen, die Nachweisdaten zu Flechten, flechtenbewohnenden und flechtenähnlichen Pilzen online eingeben und sich dazu mit weiteren Fachleuten austauschen wollen. Ziel des Portals ist das Zusammenführen von verstreuten Beobachtungs- und Sammlungsdaten aus Deutschland. Geprüfte Daten werden für Zwecke des Naturschutzes, für wissenschaftliche Auswertungen und für die Erstellung der Roten Listen Deutschlands verwendet.
Der Besuch des Webportals steht grundsätzlich allen Privatpersonen oder Institutionen offen, für die Nutzung wird keine Gebühr erhoben.
Das Portal wird vom Rote-Liste-Zentrum aufgebaut, Betreiber ist die BLAM (Bryologisch-Lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e. V.). Für die beiden Partner ist dies bereits die zweite Zusammenarbeit: Sie haben 2022 das Datenportal „Moose Deutschlands“ geschaffen.
Mit seinem Start Anfang August 2023 enthält „Flechten Deutschlands“ bereits rund 900 Beobachtungen zu 400 Arten. In Vorbereitung der nächsten Roten Liste werden kontinuierlich weitere Daten eingepflegt.
Alle Flechtenkundigen sind herzlich eingeladen, an der Vervollständigung und Aktualisierung des Datenbestandes sowie an der Qualitätssicherung der Daten mitzuarbeiten. Sie können Einzelbeobachtungen punktgenau erfassen oder auch Kartier-/Artenlisten anlegen, die eine schnelle Dateneingabe zu mehreren Arten an einem Ort ermöglichen. Die BLAM prüft die Beobachtungsdaten, bevor sie veröffentlicht werden.
Darüber hinaus bietet das Datenportal die Möglichkeit, sich die eigenen sowie die aggregierten Verbreitungsdaten anderer Beobachterinnen und Beobachter kartographisch darstellen zu lassen. Das Datenportal besteht aus einer Datenbank und einem Webportal für die Online-Erfassung, Sichtung und Bereitstellung der zusammengeführten Beobachtungs- und Sammlungsdaten.
Sie nehmen unter den Lebewesen eine Sonderstellung ein: Hinter den äußerlich wie ein Organismus aussehenden Flechten verbergen sich in der Regel zwei oder mehr Arten – ein Pilz und eine Alge und/oder Blaualge. Sie sind in einer Symbiose buchstäblich miteinander verflochten. Hinzu kommen eine große Zahl Bakterien und Mikropilze, deren Rolle in der Symbiose noch nicht genau verstanden ist. Flechten sind zudem auch Wirte flechtenbewohnender Pilze.
Flechten wachsen auf praktisch allen Substraten und in allen Biotopen von der Gezeitenzone der Nord- und Ostsee bis in die höchsten Regionen der Alpen. Sie wachsen auf nacktem Fels, Rinde von Bäumen oder Sträuchern, Holz, Moosen, Erde und Rohhumus, gelegentlich sogar auf Glas, Kunststoff oder Metall. Orte, an denen die meisten Pflanzen und Pilze allein wegen fehlender Nährstoffe oder häufiger Austrocknung nicht existieren könnten, bieten noch Lebensräume für Flechten.
Viele Flechtenarten reagieren empfindlich auf Veränderungen der Luftqualität. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts waren Ballungsgebiete in Deutschland durch Luftverschmutzung (insbesondere Schwefeldioxid) fast frei von Flechten. Seit den 1990er Jahren findet man auch in den Innenstädten wieder mehr und mehr Arten. Einige Arten haben sich von den Bestandseinbußen jedoch noch nicht erholt. Aktuell setzen besonders die hohen Stickstoffeinträge aus Industrie und Landwirtschaft den Flechten zu.
Für die Rote Liste der Flechten Deutschlands aus dem Jahr 2011 wurden 1.946 etablierte Flechtenarten, -unterarten und -varietäten bewertet. Rund 37 % der Flechten-Taxa wurden als bestandsgefährdet eingestuft, weitere 152 sind bereits ausgestorben oder gelten als verschollen. Wie bedenklich die Situation der Flechten insgesamt ist, wird anhand des Anteils ungefährdeter Taxa deutlich: Für nur etwa ein Viertel der in Deutschland vorkommenden Taxa wird eine Gefährdung sicher ausgeschlossen. Eine Aktualisierung der Roten Liste ist derzeit in Arbeit, eine überarbeitete Referenzliste („Checkliste“) mit mehr als 2.000 Taxa wurde bereits erstellt und in der Fachzeitschrift Herzogia veröffentlicht.
Rote Listen sind wissenschaftliche Fachgutachten und dienen insbesondere der Information der Öffentlichkeit über die Gefährdungssituation der Arten. Sie sind u.a. Datenquelle für gesetzgeberische Maßnahmen, Grundlage und Argumentationshilfe für raum- und umweltrelevante Planungen und zeigen Handlungsbedarf für die Erhaltung von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten auf. Das Rote-Liste-Zentrum koordiniert im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz die Erstellung der bundesweiten Roten Listen der Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Es begleitet und unterstützt die jeweiligen Expertinnen und Experten fachlich, organisatorisch und finanziell.
Weitere Informationen
Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnenden Pilze Deutschlands
Wirth, V.; Hauck, M.; Brackel, W. von; Cezanne, R.; Bruyn, U. de; Dürhammer, O.; Eichler, M.; Gnüchtel, A.; John, V.; Litterski, B.; Otte, V.; Schiefelbein, U.; Scholz, P.; Schultz, M.; Stordeur, R.; Feuerer, T. & Heinrich, D. (2011): Rote Liste und Artenverzeichnis der Flechten und flechtenbewohnenden Pilze Deutschlands. – In: Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 6: Pilze (Teil 2) – Flechten und Myxomyzeten. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (6): 7–122.
Die Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar.
Überarbeitete Checkliste der Flechten, flechtenbewohnenden und flechtenähnlichen Pilze Deutschlands
Printzen, C.; Brackel, W. von; Bültmann, H.; Cezanne, R.; Dolnik, C.; Dornes, P.; Eckstein, J.; Eichler, M.; John, V.; Killmann, D.; Nimis, P.L.; Otte, V.; Schiefelbein, U.; Schultz, M.; Stordeur, R.; Teuber, D. & Thüs, H. (2022): Die Flechten, flechtenbewohnenden und flechtenähnlichen Pilze Deutschlands – eine überarbeitete Checkliste. – Herzogia 35 (1, Teil 2): 193–393.
Die Checkliste wurde in der Fachzeitschrift Herzogia veröffentlicht und ist auf der Website der BLAM als Download verfügbar.