Das Rote-Liste-Zentrum kann einen bemerkenswerten Fund vermelden: Eine Wildkamera nahm in der Nacht zum ersten April ein Tier auf, bei dem es sich unzweifelhaft um einen Nasling (Eledonopsis sp.) handelt. Unterschiedlichen morphologischen Details an den Augen zufolge könnte es sich um eine neue Spezies handeln; das Tier ähnelt ansonsten sehr stark dem Förderbandnasling (Eledonopsis suavis). Es ist der erste Vertreter der Isorrhinidae aus der Ordnung der Rhinogradentia in ganz Europa! In der Roten Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere Deutschlands (Meinig et al. 2020) ist die Art dem entsprechend noch nicht aufgeführt.
01. 04. 2023, Bonn. Der genaue Fundort wird aus Naturschutzgründen nicht bekannt gegeben. Man kann aber sagen, dass es sich um eine ehemalige militärische Liegenschaft bei Landau in der Pfalz handelt. Initiiert wurde die Nachsuche durch – zunächst nicht verifizierbare – Beobachtungen eines Mitarbeiters des Rote-Liste-Zentrums während seines Studiums an der Universität Landau. Seine Hartnäckigkeit und sein Hinweis auf die von ihm festgestellten Aktivitätszeiten (zunehmender Halbmond, zweite Nachthälfte) der anscheinend sehr verborgen lebenden Spezies führte schließlich zum Erfolg. Folgendes Equipment wurde eingesetzt: Kamerafalle, Lockmittel: Schneckenschleim-Extrakt.
„Funde wie dieser zeigen, dass sich gezielte Nachsuchen immer lohnen“, so Dr. Steffen Caspari, Leiter des Rote-Liste-Zentrums in Bonn. Er ergänzt: „Nachsuchen wie z.B. nach der verschollen geglaubten Wald-Schnirkelschnecke und dem Alpen-Wollafter waren erfolgreich, so dass diese Tiere nicht mehr als ausgestorben gelten. Die Finanzierung einer Suchexkursion zum Nachweis der Steinlaus (Petrophaga lorioti) musste das Rote-Liste-Zentrum jedoch kürzlich ablehnen, da von der zuständigen Behörde die Sammelgenehmigung nicht rechtzeitig genug für die kurze Nachweisperiode erteilt worden war“.
Das Gebiet, in dem der Nachweis des neuen Naslings (Eledonopsis sp.) gelang, liegt im Lee des Haardtgebirges und hat z. T. Steppencharakter; der Boden entwickelte sich aus einem mehrere Meter mächtigen, nicht durch landwirtschaftliche Nutzung gekappten Lössprofil, wie es in der ganzen nördlichen Oberrheinebene sonst nicht mehr vorkommt. Den Steppencharakter unterstreichen Arten wie das Feld-Mannstreu (Eryngium campestre), ein typischer „Steppenroller", das salztolerante Salz-Hasenohr (Bupleurum tenuissimum), das Laubmoos Microbryum conicum oder der Kronwicken-Bläuling (Plebejus argyrognomon).
Im Hauptverbreitungsgebiet ernährt sich der Nasling von größeren wirbellosen Tieren, z. B. Schnecken. Am neuen Nachweisort dürfte ihm die große Population von Weinbergschnecken (Helix pomatia) mit Sicherheit entgegenkommen. Obwohl es sich hier um eine Großdisjunktion handeln muss, hat der Nasling als Nahrungsopportunist auch bei uns keine Probleme, genug Beutetiere zu finden.
Es verwundert, dass der Nachweis erst ca. 20 Jahren nach dem Ende der militärischen Nutzung und der damit verbundenen besseren Zugänglichkeit gelang. Eine Verschleppung durch die französischen Streitkräfte, die das Gebiet früher beübt hatten, ist wegen der Größe der Tiere sehr unwahrscheinlich, jedoch auch nicht völlig ausgeschlossen. Was ebenfalls diskutiert werden muss: Handelt es sich dabei um den ersten leibhaftigen Nachweis des Pfälzer Fabeltieres "Elwetritsch", von dem sich hier relativ ungestört eine Population halten konnte? Die hierzu vorliegenden Darstellungen und Nachbauten weichen z. T. zwar beträchtlich ab; vielleicht reichte aber die Phantasie der Beobachtenden schlicht nicht aus, um sich ein solch fremdartiges Wesen vorstellen zu können.
Es soll nun versucht werden, ein Tier – am besten lebend – zu fangen, um es genauer zu untersuchen. Sollte es sich tatsächlich um eine neue Art handeln, stünde bereits ein neuer Name bereit: Eledonopsis percurrens (Pfälzischer Triefnasling).
Der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd von Rheinland-Pfalz danken wir für die Erteilung der Forschungsgenehmigung und die stets konstruktive Begleitung der Arbeiten.
Literatur