Sumpf-Haubenpilz: Der erste Eindruck täuscht

In englischsprachigen Ländern wird der Sumpf-Haubenpilz wegen seines Aussehens „Bog Beacon“ benannt, also Sumpf-Leuchtfeuer. Darin steckt ein Hinweis auf den Standort und die Ähnlichkeit mit einer winzigen Wachskerze. Wegen seiner Kleinheit, seiner wenig einladenden Wuchsorte und da er nicht als Speisepilz taugt, führt er aber eher ein Schattendasein. In der Roten Liste der Pilze Deutschlands gehört er zu den Arten der „Vorwarnliste“. Mit seiner Wahl zum Pilz des Jahres 2023 macht die Deutsche Gesellschaft für Mykologie auf die Gefährdung von Lebensräumen spezialisierter Arten aufmerksam.

Ein genügsamer Spezialist

Auf den ersten Blick erinnert der Sumpf-Haubenpilz (Mitrula paludosa) an dicke gelbköpfige Streichhölzer oder brennende Mini-Kerzen, die jemand in den nassen Boden gesteckt hat. Meist ragen die Fruchtkörper mit ihren weißen, fast transparenten Stielen nur 2-4 cm weit aus dem flachen Wasser. Dort wo sie vorkommen, sind sie auffällig, denn oft stehen sie zu Dutzenden auf engem Raum. Der wissenschaftliche Gattungsname Mitrula ist die Verkleinerungsform von Mitra, bedeutet also so viel wie „kleine Bischofsmütze“. Die gelben Köpfe des Pilzes haben tatsächlich die Form einer hohen, leicht aufgeblasenen Kopfbedeckung, anders als reale Bischofsmützen sind sie aber oft etwas verbeult und asymmetrisch.

Sumpf-Haubenpilze im Torfmoos mit glasig-weißen Stielen und zitronengelben Köpfchen. Foto: Dr. Matthias Theiß

Sumpf-Haubenpilze im Torfmoos mit glasig-weißen Stielen und zitronengelben Köpfchen.

Foto: Dr. Matthias Theiß

Die Wuchsorte der Art zu finden, ist nicht immer einfach, denn der Sumpf-Haubenpilz ist anspruchsvoll in Bezug auf den geologischen Untergrund und die Wasserqualität. Er ist auf Lebensräume in naturnahen Bruchwäldern mit sauberem Wasser angewiesen und kommt nur an sumpfigen Stellen, in Gräben und Sickerquellen vor. Dort lebt er genügsam auf abgestorbenen Blättern, Nadeln, Zapfen oder feuchten Zweigen, die meist im flachen Wasser liegen. Sein Lebensraum wirkt oft modrig oder torfig, verträgt aber keine Einflüsse landwirtschaftlicher Nutzung.

Von der Küste bis in die Berge – am liebsten ungestört

Die Art kommt in ganz Europa vor, von der Ebene bis in die Mittelgebirge. In Deutschland liegen die Hauptverbreitungsgebiete des Sumpf-Haubenpilzes in den Gebirgen aus sauren Ausgangsgesteinen wie dem Bayerischen Wald, dem Harz, Thüringer Wald und Schwarzwald. Die Art fehlt in den nördlichen Kalkalpen komplett, denn sie meidet carbonatreiches Wasser. Schon zeitig im Jahr, je nach Witterung und Höhenlage ab März oder April erscheinen die ersten Fruchtkörper, und bis zum Juli oder August können immer wieder neue gebildet werden.

Eine Gruppe Sumpf-Haubenpilze in einem moosigen Waldbach. Foto: Dr. Matthias Theiß

Eine Gruppe Sumpf-Haubenpilze in einem moosigen Waldbach.

Foto: Dr. Matthias Theiß

Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) verzeichnet in einer Nachweiskarte bisher 633 Datensätze zu den Funden in Deutschland. Trotz seines ausgedehnten Verbreitungsgebietes macht dem Sumpf-Haubenpilz der Lebensraumverlust zu schaffen, verursacht durch Entwässerung von Waldstandorten oder durch großflächigen Waldumbau, aber auch durch längere Trockenperioden infolge der Klimaerwärmung. In der Roten Liste der Pilze Deutschlands wird er in der Katgeorie „Vorwarnliste“ geführt.

Der Sumpf-Haubenpilz ist auf weitgehend ungestörte, sumpfige Wälder angewiesen. Die DGfM empfiehlt zu seinem Schutz das Zulassen von natürlicher Walddynamik: Abgestorbene Bäume sollen als Schattenspender und Feuchtigkeitsreservoir verbleiben, so dass auf den Flächen ein gesunder Wald durch Naturverjüngung entstehen kann. Die Ergebnisse positiver Maßnahmen sind beispielsweise in den ehemaligen Fichtenforsten des Nationalparks Bayerischer Wald zu sehen. Dort wächst ein stabiler, standortgerechter, feuchter Bergmischwald auf, der in wenigen Jahrzehnten wieder Lebensräume für den Sumpf-Haubenpilz und viele weitere Arten bieten kann.

Schlauchpilze: Ein großer Teil ist noch unerforscht

Der Sumpf-Haubenpilz gehört zu den Schlauchpilzen (Ascomycota), einer großen Abteilung im Reich der Pilze. Charakteristisch und namensgebend sind ihre Fortpflanzungsstrukturen, die schlauchförmigen Asci. Beim Sumpf-Haubenpilz werden die Sporen in Schläuchen (Asci) an der Oberfläche des Kopfes gebildet und sorgen für die Verbreitung des Pilzes. Über Luft und Wasser gelangen die Sporen in neue Lebensräume.

Speisepilze wie Morcheln und Trüffeln, aber auch viele Hefe- und Schimmelpilze, gehören zur Gruppe der Schlauchpilze. Ein großer Teil der Schlauchpilze wurde bisher noch nicht auf ihre Gefährdung hin untersucht. Im Jahr 2016 erschien jedoch mit der Roten Listen der Großpilze auch eine vorläufige Gesamtartenliste der Ständer- und Schlauchpilze (Basidiomycota und Ascomycota) Deutschlands.

Pilz des Jahres

Seit 1994 wählt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie alljährlich den „Pilz des Jahres“. Die präsentierte Art soll stellvertretend für alle Pilze den Blick der Öffentlichkeit auf die wichtige Bedeutung der Pilze für das Ökosystem richten. Sie hat den Sumpf-Haubenpilz (Mitrula paludosa) am 5.11.2022 als Pilz des Jahres 2023 bekanntgegeben.

Weitere Informationen

Sumpf-Haubenpilz

(Mitrula paludosa)

Rote-Liste-Kategorie: Vorwarnliste