Maske zu tragen ist für uns alle inzwischen zur Routine geworden. Ob die Wahl für die Biene des Jahres 2022 von diesem Umstand abhing? Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ hat jedenfalls eine Kandidatin gekürt, die ebenfalls einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen scheint. Die Rainfarn-Maskenbiene macht uns zudem vor, dass ein weiß maskiertes Gesicht durchaus ein Blickfang sein kann.
Von Nicht-Fachleuten werden Maskenbienen kaum als Bienen erkannt. Das liegt allerdings nicht an der kontrastreichen Front, sondern am wenig behaarten, vorwiegend schwarzen und leicht glänzenden Körper, der eher an eine kleine Wespe erinnert. Während die Männchen die porzellanartig glänzende Maske besitzen, tragen die Weibchen nur ein schmales weißes Dreieck auf jeder Wange.
Im Gegensatz zu vielen verwandten Arten, die unterschiedlichste Pflanzen besuchen, hat die etwa 8 Millimeter lange Rainfarn-Maskenbiene (Hylaeus nigritus) eine klare Präferenz für Korbblütler wie Margerite, Schafgarbe, Rainfarn, Färberkamille und Mutterkraut. Wer das eine oder andere dieser Gewächse im eigenen Garten hat, kann ziemlich sicher sein, dass die Rainfarn-Maskenbiene dort zwischen Ende Mai und Ende August regelmäßiger Gast ist. Seit die Feldflur unter dem Einfluss der modernen Landwirtschaft immer mehr an Wildpflanzen verarmt, sind Gärten mit reichem Blütenangebot für Wildbienen oftmals die attraktiveren Lebensräume. Zumindest werden sie für das Überleben vieler einheimischer Arten immer wichtiger. Erfreulicherweise gehört die Rainfarn-Maskenbiene in Deutschland noch zu den sehr häufigen und ungefährdeten Arten, wie die Rote Liste der Bienen Deutschlands bestätigt.
Ihre Kinderstube legen die solitär lebenden Weibchen in Ritzen und Löchern von Mauerwerk oder in kleinen Hohlräumen steiniger Abbruchkanten an. In einem wenige Zentimeter langen Gang „tapezieren“ sie dann nacheinander mehrere Kämmerchen mit einem körpereigenen Sekret. Dort hinein bringen sie eine Mischung aus Nektar und Pollen, als Vorrat für die Brut. Maskenbienen tragen Pollen übrigens nicht an den Beinen oder unter dem Bauch zum Nest, so wie viele stärker behaarte Wildbienen – vielmehr transportieren sie diese Nahrung in ihrem Kropf, einer Erweiterung der Speiseröhre. Während man früher dachte, dies sei ein sehr ursprüngliches Merkmal, weiß man heute, dass Maskenbienen eine stammesgeschichtlich eher junge und spezialisierte Gruppe sind.
Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ wählt jährlich eine besonders interessante Wildbienenart aus, um an ihrem Beispiel die spannende Welt dieser Tiere bekannter zu machen. Zugleich soll die Wildbiene des Jahres dazu ermuntern, in die Natur zu gehen und Tiere in ihrem Lebensraum zu beobachten. Damit wirkt die Initiative auch im Sinne einer Wissenschaft für alle (Citizen Science) und bringt mehr Klarheit über die aktuellen Vorkommen von Wildbienen. Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ ist beim Arbeitskreis Wildbienen-Kataster angesiedelt, einer Sektion des Entomologischen Vereins Stuttgart 1869 e.V. am Naturkundemuseum Stuttgart.