Moose sind oft nur als Störenfried vom eigenen Dach oder aus dem Rasen bekannt. Die knapp 1.200 Arten in Deutschland können uns jedoch fast überall begegnen: auf Erde, Gestein, Totholz, an Bäumen, im Moor oder im Wasser. Einige Arten haben sich sogar an das Leben in Höhlen angepasst, z.B. das Leuchtmoos. Und ja, der Name ist Programm!
Die Anpassung des Leuchtmooses (Schistostega pennata) an dunkle Lebensräume verlieh dem Moos seine zweifelsfrei interessanteste Eigenschaft: es leuchtet! Wobei es sich um kein aktives Leuchten wie beispielsweise bei den Glühwürmchen handelt, sondern vielmehr um einen optisch-physikalischen Effekt.
Wie die meisten Moose beginnt auch das Leuchtmoos sein Leben als Spore, aus der ein Vorkeim (Protonema) erwächst. Anders als bei anderen Moosen bildet das Leuchtmoos auf diesem Vorkeim jedoch Ketten kugelförmiger Zellen aus, die wie Sammellinsen funktionieren. Sie bündeln das schwache einfallende Licht auf Chloroplasten, die sich an der Zellrückwand befinden. Dadurch kann das Leuchtmoos mit einem Fünfhundertstel des Lichtbedarfs anderer Moose und Pflanzen auskommen und extrem lichtarme Standorte nahezu konkurrenzlos besiedeln. Der spektakuläre Nebeneffekt dieser Eigenschaft ist, dass der für das Moos nicht verwertbare grüne Lichtanteil, ähnlich einem Reflektor oder Katzenauge, zurückgeworfen wird und ein intensives smaragdgrünes Leuchten verursacht. Dies lässt sich am einfachsten mit einer Taschenlampe hervorrufen.
Der Vorkeim des Leuchtmooses ist ausdauernd und wächst mit der Zeit aus den hintersten und meist dunkelsten Bereichen des Wuchsortes in Richtung des helleren Eingangs. Sobald eine gewisse Helligkeitsstufe erreicht ist, beginnen sich die eigentlichen Moospflänzchen (Gametophyten) zu entwickeln. Diese sind abgeflacht farnwedelartig beblättert und richten sich zum einfallenden Licht hin aus. Die Gametophyten selbst leuchten nicht, jedoch bleiben meist große Teile des Vorkeims erhalten, so dass im Hintergrund der Pflänzchen weiterhin das charakteristische „Glimmen“ zu erkennen ist.
Die Hauptrolle bei der Verbreitung des Leuchtmooses spielen Tiere, vor allem Insekten, die sich tagsüber in eben diesen schattigen Plätzen verstecken. An ihnen bleiben die Moossporen haften und werden so an neue Standorte getragen.
Das Leuchtmoos ist ein echtes Höhlenmoos: Es wächst in Felshöhlen, unter Felsüberhängen und in Blockhalden. Es gilt als streng kalkmeidend und kommt ausschließlich in Regionen mit Silikatgesteinen wie Gneis, Granit, Sandstein oder Schiefer vor. Neben reinen Felsstandorten besiedelt es auch Höhlungen an Böschungen, unter Baumwurzeln und an Wurzeltellern umgestürzter Bäume. Auch Vorkommen in Mauselöchern und Kaninchenbauen sind belegt, sogar in Kellern wurde es schon gefunden. Die Art benötigt eine konstant hohe Luftfeuchtigkeit und geringe Temperaturschwankungen zwischen Sommer und Winter.
In Deutschland ist das Leuchtmoos ausschließlich auf das mittel- und süddeutsche Berg- und Hügelland beschränkt, ist hier aber meist verbreitet. So ist es aus dem Bayerischen Wald, Erzgebirge, Harz, Schwarzwald und Thüringer Wald sowie aus den Sandsteingebieten der Sächsischen Schweiz, des Pfälzer Waldes und der Region um Bayreuth belegt.
Mit seinem magischen Leuchten wurde das Leuchtmoos in früheren Zeiten unter anderem als Zwergen- oder Hexengold bezeichnet, auch im Englischen heißt es „goblin gold“ – seine Wuchsorte waren sagenumwoben. Das verlockende Glitzern an den Höhlenwänden ließ einen Schatz vermuten, doch endete der Griff nach diesem meist mit einer Hand voll Erde. Hexenwerk!
Das Leuchtmoos wird in der Roten Liste der Moose Deutschlands als ungefährdet eingestuft. Negative Bestandsänderungen sind bislang nur durch kleinräumige Eingriffe oder touristische Nutzung von Höhlen zu verzeichnen. Im Zuge der fortschreitenden Klimaerwärmung wird aber auch das Leuchtmoos beeinträchtigt. In Dürresommern ist nicht genügend Luftfeuchtigkeit gegeben, was das Moos nur eine begrenzte Zeit lang überstehen kann. Das Leuchtmoos war Moos des Jahres 2015.
Ein Beitrag von Stefan Gey
Stefan Gey ist Mitglied der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e. V. (BLAM) und beschäftigt sich mit Horn-, Laub- und Lebermoosen. Als Spezialist ist er im Auftrag des Rote-Liste-Zentrums in Arbeiten rund um die Erstellung der Roten Liste der Moose Deutschlands eingebunden. Er hat unter anderem 30.000 Beobachtungsdaten zum neuen Datenportal Moose Deutschlands beigetragen. Das Leuchtmoos war der maßgebliche Auslöser am Interesse des Autors an der Welt der Moose.
Literatur
Meinunger, L. & Schröder, W. 2007. Verbreitungsatlas der Moose Deutschlands. Bd. 1-3. – Regensburg: Regensburgische Botanische Gesellschaft.
Rote Liste der Moose Deutschlands
Caspari, S., Dürhammer, O., Sauer, M. & Schmidt, C. 2018. Rote Liste und Gesamtartenliste der Moose (Anthocerotophyta, Marchantiophyta und Bryophyta) Deutschlands. – In: Metzing, D., Hofbauer, N., Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G.: Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 7: Pflanzen. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70(7): 361–489.