Die in vielen Vorgärten und Grünanlagen blühenden Osterglocken lassen nicht vermuten, dass ihre wilde Verwandten gefährdet sind: Der zierlichen Gelben Narzisse, Mutter vieler Osterglocken, ging es in der freien Natur seit den 1970er Jahren immer schlechter. Mit Hilfe von Stiftungen und Naturschutzorganisationen gelang jedoch eine Wende zum Besseren: Wer zur Osterzeit in der West-Eifel spazieren geht, kann heute wieder ausgedehnte Narzissenwiesen bewundern. Wegen ihrer eng begrenzten Bestände in Deutschland und früherer Rückgänge ist die wildwachsende Gelbe Narzisse in der Roten Liste jedoch weiterhin als „gefährdet“ eingestuft.
Die Gelbe Narzisse (Narcissus pseudonarcissus) ist eine der Stammarten der dekorativen Osterglocken, die in vielerlei Sorten vom Spätwinter an unsere Parks und Gärten zieren oder als Schnittblumen verkauft werden. Während viele dieser Züchtungen bereits ab Februar ihre gelben Knospen öffnen, fällt die Hauptblütezeit der wilden Gelben Narzisse meist in den April. Da Ostern ein bewegliches Fest ist und die Frühjahrswitterung zudem von Jahr zu Jahr variiert, machen die Osterglocken aber nicht jedes Jahr ihrem Namen Ehre.
Die wildwachsenden Gelben Narzissen unterscheiden sich von den großblütigen Gartenformen durch zierlichere Blüten und eine etwas geringere Wuchshöhe. Statt Blüten mit sechs leuchtend gelben Kronblättern sind die Kronblätter der Wildpflanze blassgelb. Typisch für alle Narzissen ist die röhrige oder trichterförmige Nebenkrone in der Mitte der Blüten.
Wildnarzissen pflanzen sich auf zweierlei Weise fort: Durch die Bildung von unterirdischen Tochterzwiebeln können aus einer Mutterpflanze ganzen Gruppen von Einzelpflanzen entstehen. Zusätzlich vermitteln Insekten – besonders Hummeln – durch ihren Besuch die sexuelle Vermehrung, indem sie Pollen von einer Narzissenpflanze zur anderen transportieren und die Blüten bestäuben. Nach der Befruchtung entwickeln sich in den Fruchtknoten glänzend schwarze Samen. Erst im Frühsommer öffnen sich die vertrocknenden Fruchtkapseln und die Samen fallen zu Boden. Da sie ein fett- und proteinreiches Anhängsel besitzen, werden sie von Ameisen verschleppt und können dann auch in einiger Entfernung von der Mutterpflanze keimen.
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Gelben Narzisse ist das atlantisch geprägte Westeuropa. In Deutschland gibt es natürliche Vorkommen ausschließlich im westlichen Rheinischen Schiefergebirge und dort nur in der Eifel und im Hunsrück. In der Naturlandschaft dürfte die Pflanze dort ein reiner Waldbewohner gewesen sein. Von ihrer Lebensform her ist sie ein typischer Geophyt. Das sind krautige Pflanzen, die mit einer Zwiebel, einer Knolle oder einem verdickten Wurzelstock im Boden überdauern, um nur für einige Wochen oder Monate am Waldboden „aufzutauchen“. Die Wachstumsperiode der so genannten Frühjahrsgeophyten fällt bei uns in die Monate März bis Mai, in denen sich die Luft und der Waldboden bereits etwas erwärmen, das Laubdach der Bäume aber noch nicht entfaltet ist. Diese Bedingungen herrschen in der Naturlandschaft besonders in edellaubholzreichen Schlucht- und Auenwäldern und genau in diesen Waldtypen gibt es noch heute natürliche Vorkommen. Sekundär breitete sich die Art dann auch in der Kulturlandschaft aus und bildete in extensiv bewirtschaftetem gemähtem Grünland sogar Massenbestände.
In den 1980er-Jahren ging es der Gelben Narzisse in Deutschland allerdings immer schlechter, denn viele Wiesen wurden jetzt intensiver bewirtschaftet, also stärker gedüngt und früher gemäht. Andere Narzissenwiesen fielen brach und wurden mit Fichten aufgeforstet. Unter den ganzjährig dunklen Nadelgehölzen verkümmerten die lichtliebenden Narzissen. Die Wende zum Besseren kam, als die „Stiftung zum Schutz gefährdeter Pflanzen“ – auch als Loki-Schmidt-Stiftung bekannt –, einige Wiesen im Oleftal an der deutsch-belgischen Grenze kaufte, die Fichten entfernen ließ und den Narzissen damit wieder günstige Wuchsbedingungen verschaffte. In noch größerem Umfang wurde diese Arbeit in den folgenden Jahrzehnten durch die Nordrhein-Westfalen-Stiftung übernommen und in enger Zusammenarbeit mit regionalen Naturschutzgruppen fortgesetzt. Inzwischen sind die Vorkommen im Naturschutzgebiet Perlenbachtal-Fuhrtsbachtal bei Monschau in der Osterzeit ein überregional bekannter Besuchermagnet.
Wegen der sehr beschränkten Verbreitung in Deutschland und der früheren Rückgänge ist die Gelbe Narzisse in der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands aber nach wie vor in der Kategorie „Gefährdet“ eingestuft. Außerhalb des linksrheinischen Schiefergebirges gibt es verwilderte Garten-Narzissen auch in vielen anderen Gebieten. Bei der Gefährdungsanalyse der Roten Liste wurden solche Vorkommen nicht berücksichtigt.
Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf. Weitere Informationen zur Rote-Liste-Bewertung der Gelben Narzisse – inklusive Bestandssituation, kurz- und langfristiger Bestandstrend – enthält der Steckbrief aus unserer Artensuchmaschine.
Metzing, D.; Garve, E. & Matzke-Hajek, G. (2018): Rote Liste und Gesamtartenliste der Farn- und Blütenpflanzen (Trachaeophyta) Deutschlands. – In: Metzing, D., Hofbauer, N., Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Bearb.): Rote Liste der gefährdeten Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 7: Pflanzen. – Bonn (Bundesamt für Naturschutz). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (7): 13–358.
Die Rote-Liste-Daten stehen zum Download zur Verfügung.